Baden-Württemberg
Im Südwesten wird die Kommunalwahl vor allem in der CDU Unruhe auslösen. Denn der Landesverband ist zerstritten wegen des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2021; Und egal, wie die Abstimmungen ausgehen werden, jedes der beiden Parteilager wird versuchen, die Zahlen zu seinen Gunsten zu interpretieren. Der Landesvorsitzende Thomas Strobl kämpft um die Spitzenkandidatur, dabei hat er - hinter den Kulissen - viele Gegner, die Kultusministerin Susanne Eisenmann bevorzugen. Beim jüngsten Parteitag wurde der Konflikt noch mühsam unter der Decke gehalten. Aber viele Beobachter erwarten, dass der Kampf um die Kandidatur nach der Wahl voll entbrennt. Denn der CDU drohen Verluste im Vergleich zur Kommunalwahl 2014; voraussichtlich werden die Grünen wie auch die AfD ihre Ergebnisse der letzten Gemeinderatswahlen (11,5 und 1,5 Prozent) verbessern. Die CDU hatte damals 28,3 Prozent erhalten.
Brandenburg
Das Land erlebt am Sonntag eine Richtungswahl, bei der vor allem zwei Parteien im Blickpunkt stehen dürften: die seit der Wiedervereinigung im Land dominante SPD einerseits, anderseits die AfD, die sich im Flächenland in den Gemeinden etablieren will und sich gern als neue Volkspartei darstellt. Die Ergebnisse bei den Kommunalwahlen könnten Hinweise für die am 1. September anstehende Landtagswahl geben. Dann mus die aktuell amtierende rot-rote Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) um ihre Mehrheit fürchten. Die in Brandenburg vom besonders rechtslastigen "Flügel" geprägte AfD lag dort zuletzt in Umfragen knapp unter zwanzig Prozent.
Hamburg
In der Hansestadt blickt der rot-grüne Senat mit Bürgermeister Peter Tschentscher sehr interessiert auf die Wahlen der sieben Bezirksversammlungen. Das Bündnis funktioniert, die Opposition ist schwach. Es sieht gerade nicht so aus, als gäbe es ein rot-grünes Problem. Allerdings kommen sich die Partner in den Umfragen immer näher. Die SPD sinkt, die Grünen steigen. Im Februar meldete der NDR nach einer Infratest-Dimap-Umfrage 31 Prozent für Rot und 22 Prozent für Grün. Der Trend könnte bei den Kommunalwahlen dazu führen, dass die Hamburger Grünen zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Mehrheit in einem Bezirk erringen. In Altona, Eimsbüttel und Hamburg-Nord erscheint ein grüner Sieg möglich.
Mecklenburg-Vorpommern
Im Nordosten stemmen sich SPD und CDU gegen Verluste. Die auffälligste Figur der Kommunalwahlen dort ist wohl Claus Ruhe Madsen, 46 Jahre alt und Däne ohne deutschen Pass. Die CDU hat ihn als parteilosen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in Rostock aufgestellt, und wenn Madsen gewinnt, dann wäre er das erste ausländische Oberhaupt einer deutschen Großstadt.
In der Gemeinde Gägelow bei Wismar treten in einer Wählergemeinschaft drei Männer an, von denen zwei noch in der NPD sind und einer in der NPD war: Einer dieser Neonazis ist mehrfach vorbestraft, sie alle stammen aus dem berühmt-berüchtigten Dorf Jamel. Vor allem in Vorpommern wird es interessant zu sehen, wie stark die AfD abschneidet.
Saarland
Im Westen werden am Sonntag nicht nur Gemeinde- und Kreisabgeordnete gewählt, sondern auch knapp drei Dutzend Bürgermeister. Das Augenmerk liegt traditionell auf Saarbrücken. Wer die Landeshauptstadt regiert, rangiert auf Nummer 2 der inoffiziellen heimischen Polit-Prominentenliste. Die Sozialdemokratin Charlotte Britz ist seit 1994 im Amt, ihre Chancen auf eine dritte Wiederwahl scheinen gut zu sein. Allerdings lieferte sie sich zuletzt einen eigentümlichen Machtkampf mit dem städtischen Feuerwehrchef, bei dem sie vor Gericht mehrfach unterlag. Die Folge war ein spektakulärer Krankheits-Streik bei der Saarbrücker Feuerwehr, ganz bereinigt ist die Sache nicht. Ihr aussichtsreichster Herausforderer ist Uwe Conradt von der CDU, die auch den Ministerpräsidenten des Saarlands stellt.
Sachsen
In Thüringen und Sachsen, wo im Herbst ein neuer Landtag gewählt wird, sind die Kommunalwahlen naturgemäß ein Stimmungstest. Derzeit richten sich die Blicke vor allem auf die Stadt Görlitz, den Geburtsort des sächsischen Ministerpräsidenten. Bei der Bundestagswahl 2017 hat Michael Kretschmer (CDU) hier sein sicher geglaubtes Direktmandat an die AfD verloren. Am Sonntag nun werden Stadtrat und Kreistag gewählt, gleichzeitig der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin. Erstmals könnte dieses Amt an die AfD gehen.
Dies wäre eine erneute Schmach für Sachsens CDU, ein Rückschlag für den Wahlkämpfer Kretschmer, aber nicht nur das. In den vergangenen Wochen hat sich halb Berlin ein Stelldichein an der Neiße gegeben. Sie alle wissen um die Symbolkraft dieser Wahl: Görlitz, die Europastadt, wo man über die Altstadt-Brücke hinüber nach Polen schlendern kann. Was, wenn ausgerechnet hier ein Kandidat gewinnt, der mit dem Slogan "Mit Grenzen lebt sich's besser" ins Rennen geht? Sebastian Wippel (AfD) ist Polizeikommissar und Leutnant der Reserve. Er ist innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag und, zurückhaltend formuliert, kein Freund der EU. Der Kandidat der CDU, Octavian Ursu, spielt gut Trompete, hat ansonsten aber einen minimalistischen Wahlkampf geführt. Die Grüne Franziska Schubert hat ein breites Bündnis hinter sich und unzählige Pressetermine. Egal, wer die Geschicke von Deutschlands östlichster Stadt am Ende lenken darf - er oder sie kann sich maximaler Aufmerksamkeit sicher sein.
Rheinland-Pfalz
Die Abstimmung beschert Rheinländern und Pfälzern neue Gemeindeverordnete, aber keine Gewissheit über die Machtverteilung im Land. Die CDU ist bei Kommunalwahlen traditionell stärker als die SPD, anders als bei Landtagswahlen, bei denen die Sozialdemokraten seit 1991 den Ministerpräsidenten stellen. Natürlich würden die Leute um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Christian Baldauf im Mainzer Landtag einen Erfolg am Sonntag feiern. Für die Landtagswahl 2021 muss das aber nichts bedeuten. Denn Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die eine rot-gelb-grüne Koalition anführt, ist nach wie vor populär, auch wenn ihre Partei überall an Zustimmung verliert. Die eng mit der SPD verbundenen Grünen werden wohl zulegen, bei der Europawahl, den Kommunalwahlen und, wenn sich die Stimmung nicht grundsätzlich ändert, auch bei der Landtagswahl in zwei Jahren. Und es geht der mutmaßlich älteste und längst dienende Bürgermeister in den Ruhestand. Der inzwischen 94 Jahre alte Landwirt Josef Rüddel regierte erstaunliche 56 Jahre lang den Ort Windhagen im Kreis Neuwied, am Stück, wohlgemerkt. Er kannte noch den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer, lieferte ihm aus dem Westerwald Kartoffeln in dessen nahegelegenen Wohnort Rhöndorf in Nordrhein-Westfalen.