Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahlen in Frankreich:Das französische Wahlsystem

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Durch die Rolle der Linken als neue fünfte parlamentarische Kraft sieht Altbundespräsident Roman Herzog stabile Regierungsmehrheiten gefährdet. Herzog hat für Deutschland eine Wahlrechtsänderung vorgeschlagen. Als Vorbild nennt er das französische Wahlsystem. Doch wie wird in Frankreich gewählt?

Victor Henle

Durch die Rolle der Linken als neue fünfte parlamentarische Kraft sieht der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog die Bildung stabiler Mehrheiten in Deutschland gefährdet. Er hat vorgeschlagen, das deutsche Wahlsystem zu ändern, das von einer Mischung aus Mehrheitswahl und Verhältniswahl geprägt ist. Als Vorbild nennt er das französische Wahlrecht. Doch wie sieht das französische Wahlsystem aus?

Im Kern ist das französisches Wahlrecht für die dem Bundestag entsprechenden Nationalversammlung ein gemildertes Mehrheitswahlrecht. Es besteht aus zwei Wahlgängen.

Im ersten Wahlgang (premier tour) ist die Person gewählt, die mindestens die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat und die Stimmenzahl mindestens der Hälfte der im Wahlkreis eingeschriebenen Wähler entspricht. Die bloße absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen reicht also nicht aus.

Erreicht niemand diese absolute Mehrheit, kommt es schon eine Woche später zum zweiten Wahlgang (deuxième tour). An dieser Stichwahl können die Kandidaten teilnehmen, auf die im ersten Wahlgang die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler entfallen sind.

Das führt häufig dazu, dass mehr als zwei Kandidaten an diesem Wahlgang teilnehmen. Gewählt ist, wer die höchste Stimmenzahl auf sich vereint. Bei der Parlamentswahl im Juni 2007 schafften es im ersten Wahlgang gerade 110 Kandidaten mit absoluter Mehrheit in die Nationalversammlung einzuziehen. Drei Viertel der 577 Sitze gingen erst aus dem zweiten Wahlgang hervor.

Auch das französische Wahlrecht konnte mit seiner Mehrheitsausrichtung nicht die Lagerbildung in einen bürgerlichen und einen sozialistischen Teil verhindern. Bei der Stichwahl erhöhen sich deren Chancen durch Wahlabsprachen zwischen den Parteien desselben Lagers.

Vom zweiten Wahlgang profitierte bisher fast immer die rechtsextreme Front National. Bei der Wahl 1997 schaffte sie es, 132 Kandidaten im zweiten Wahlgang zu halten. Zugenommen hat aber auch die Zahl der Dreieckskonstellationen und damit zwangsläufig die Verwässerung der politischen Profile.

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