Für die britischen Konservativen wurde es im Lauf des Freitags zunehmend schwieriger, nicht mit breitestem Grinsen vor die Fernsehkameras zu treten. Je mehr Ergebnisse der Kommunalwahlen aus England, Wales und Schottland eintrudelten, desto klarer wurde, dass die Tories die großen Gewinner dieser Abstimmung sind. Die meisten Kommentatoren vertraten die Ansicht, dass dies bedeute, dass die Konservativen auch bei den am 8. Juni anstehenden Parlamentswahlen sehr gut abschneiden werden.
Davon wollten die meisten konservativen Politiker jedoch nichts wissen. Es war ein auf den ersten Blick paradoxes Schauspiel: Mit großem Ernst spielten sie die Bedeutung der für sie so erfreulichen Ergebnisse herunter. Bei Kommunalwahlen sei die Beteiligung ja eher gering, sagten sie.
Bei Kommunalwahlen stimmten die Bürger zudem über ganz andere Themen ab als bei denen zum Parlament in Westminster. Kurzum: Ja, man habe Stimmen dazu gewonnen, was auch schön und gut sei, aber mit den Wahlen am 8. Juni habe das wenig bis nichts zu tun. Wer den Tories zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, der Partei stünden Zeiten der Mühsal bevor.
Tories wollen mehr als eine solide Mehrheit
Der Grund für die Zurückhaltung: Die Partei fürchtet, dass sie so überlegen wirkt, dass viele Wähler im Juni nicht zur Wahl gehen, weil sie glauben, dass die Konservativen ohnehin gewinnen. Daher wiederholen Parlamentarier und Aktivisten unablässig, dass die wahre Arbeit jetzt erst beginne und jede Stimme zähle.
Wenn die Umfragen auch nur einigermaßen richtig liegen, werden die Tories um Premierministerin Theresa May im Juni mit großer Mehrheit als Regierungspartei bestätigt, ganz gleich, ob sie ihre sämtlichen potentiellen Wähler mobilisieren können oder nicht. Doch das ist ihnen nicht genug: Sie wollen einen Erdrutsch-Sieg.
Die Kommunalwahlen deuten darauf hin, dass es genau dazu kommen könnte. Labour hat durchweg Stimmen verloren, und es wirkte recht verzweifelt, als Schatten-Finanzminister John McDonnell in gespielter Zufriedenheit sagte, die Verluste seien doch gar nicht so groß wie prognostiziert. Besonders in Wales habe man "nicht so schlecht" abgeschnitten.
Ukip stürzt ab
Besonders beunruhigend für Labour ist die Tatsache, dass sie in ihrem Stammland in Nordengland reichlich Stimmen an die Konservativen verloren hat. Das verheißt für den Juni nicht Gutes für Labour. Die Tories hingegen haben sogar in Teilen Schottlands Sitze in Stadt- und Gemeinderäten gewonnen, in denen sie seit Jahren nicht vertreten waren.
Bemerkenswert ist ferner das katastrophale Abschneiden der UK Independence Party (Ukip). Die EU-feindliche Partei verlor Dutzende und Aberdutzende Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten. Der hauptsächliche Daseinszweck der Partei war, für den Brexit zu trommeln. Da nun klar ist, dass Großbritannien aus der EU austritt, stellt sich die Frage, wofür die Ukip noch steht. Viele Wähler fanden darauf offenbar keine Antwort.
Der ehemalige Ukip-Abgeordnete Douglas Carswell sagte am Freitag: "Es ist vorbei." Das wollen viele in der Partei nicht wahrhaben. So etwa auch der Ukip-Stadtrat Peter Reeve. Er sagte, der Partei gehe es gut, denn man bestimme weiterhin die nationale Agenda. Parteichef Paul Nuttall ergänzte, man sei im Moment "Opfer des eigenen Erfolgs". Beides ist insoweit richtig, als die Konservativen sich die Positionen der populistischen Rivalen zuletzt mehr oder weniger vollständig zu eigen gemacht und damit der Ukip die Existenzgrundlage entzogen haben.