Kommunalwahl in Frankreich:Hollande sucht einen Ausweg, wo es keinen gibt

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Frankreichs Präsident François Hollande erlebte bei den Kommunalwahlen ein Debakel (Foto: AFP)

Überschwemmt von der "blauen Welle": Nach der desaströsen Niederlage bei der Kommunalwahl muss Frankreichs Präsident Hollande reagieren. Viele Möglichkeiten bleiben dem Sozialisten nicht - auch weil schon die nächste Schlappe zu erwarten ist.

Von Lilith Volkert

Eine gewaltige blaue Welle ist am Sonntag über Frankreich gerollt. In mehr als 150 Städten und Gemeinden haben die (blauen) Konservativen den (roten) Sozialisten die Chefämter abgenommen.

Eine kleinere, aber für viele umso furchteinflößendere "marineblaue Welle" hat weitere Posten mitgenommen: Marine Le Pen, Chefin des ultrarechten Front National, freut sich über mehr als ein Dutzend Bürgermeisterposten. So viel Verantwortung hatten die Rechtsextremen noch nie. Die ausländer- und EU-feindliche Partei sieht sich nun als dritte Kraft neben Sozialisten und Konservativen.

Präsident François Hollande steht am Tag nach dem zweiten Debakel innerhalb kurzer Zeit vor einer schwierigen Entscheidung. Er muss auf das verheerende Ergebnis reagieren, wenn er die Franzosen nicht in ihrem Gefühl bestätigen möchte, das Staatsoberhaupt interessiere sich überhaupt nicht für ihre Meinung.

Ein politischer Richtungswechsel, etwa eine Abkehr von seinem strengen Sparkurs, kommt aber nicht in Frage. Im vergangenen Jahr betrug das Staatsdefizit 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, der französische Schuldenberg ist mit 93,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung so hoch wie nie zuvor. Hollande muss weiter sparen, wenn er seine Glaubwürdigkeit in Europa nicht vollkommen verlieren möchte. Erst Mitte Januar hatte er angekündigt, Staatsausgaben zu kürzen und Unternehmen zu entlasten, um Jobs zu schaffen - für den Sozialisten ein radikaler Kurswechsel. Kommentatoren verglichen den Plan mit der Agenda 2010, die Gerhard Schröder in Deutschland durchsetzte, gegen den Widerstand der Gewerkschaften.

Was kann Hollande also tun? Ihm bleibt die Option, ein paar Köpfe seiner Regierungsmannschaft auszutauschen, die - glaubt man der konservativen Tageszeitung Le Figaro - in den vergangenen beiden Jahren "hauptsächlich durch Uneinigkeit und Inkompetenz aufgefallen ist". Tatsächlich haben zahlreiche Skandale und Streitereien nicht gerade zur Beliebtheit der sozialistischen Regierung beigetragen. Die Grüne Cécile Duflot, Ministerin für sozialen Wohnungsbau, hat die Regierung immer wieder öffentlich kritisiert; es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie entlassen wird. Auch Justizministerin Christiane Taubira könnte gehen müssen.

Als mögliche Nachrückerinnen werden Ex-Parteichefin Martine Aubry und Hollandes ehemalige Lebensgefährten Ségolène Royale gehandelt. Der Präsident könnte die Regierungsumbildung aber auch nutzen, um die mit 20 Ministern und 18 beigeordneten Ministern äußerst umfangreiche Regierung um ein paar Posten zu verkleinern - angesichts der 50 Milliarden Euro, die bis 2017 eingespart werden sollen, vielleicht keine schlechte Idee.

Das stärkste Signal jedoch, das der Präsident senden kann, ist die Entlassung seines schwachen und unscheinbaren Premierministers. "Die Abstimmung ist eine Niederlage für die gesamte Regierung, und ich werde meinen Teil der Verantwortung tragen", hatte Jean-Marc Ayrault am Wahlabend in die Kameras gesagt. Dass er nicht die alleinige Verantwortung übernommen hat, kann man als Zeichen dafür sehen, dass er seinen Platz nicht ohne weiteres räumen möchte.

Kompromissloser Innenminister oder erfahrener Außenminister

Als aussichtsreichster Nachfolger wird Innenminister Manuel Valls gehandelt. Umfragen zufolge wünschen sich die meisten Franzosen ihn als neuen Regierungschef. Obwohl Valls als kompromisslos gilt und etwa im Herbst die Abschiebung der Roma-Familie um das Mädchen Leonarda in den Kosovo verantwortet hat, schätzen viele die Entschlossenheit des gebürtigen Katalanen.

Auch Außenminister Laurent Fabius ist als Ayraults Nachfolger im Gespräch - allerdings war er Mitte der 80er Jahre schon einmal Premierminister. Es dürfte Hollande schwerfallen, Fabius als Mann des Neuanfangs zu verkaufen. Höchstens Außenseiterchancen hat Bertrand Delanoë, dessen Amtszeit als Pariser Bürgermeister demnächst endet. Sein größter Trumpf ist seine enorme Beliebtheit - als Krisenmanager hat er sich bisher nicht bewährt.

Ein Gedanke dürfte Präsident Hollande bei seiner Entscheidung außerdem beschäftigen: Sollten die Sozialisten bei der Europawahl am 25. Mai wieder so schlecht abschneiden und der Front National etwa zur stärksten Partei werden, muss er sich ein weiteres Mittel in der Hinterhand behalten. Einfach wieder die Regierung umzubilden, das würde dann nicht mehr gehen.

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