Kommission:Atomlobby steigt in die Endlagersuche ein

Atommüll-Endlagersuche

Wohin mit den Fässern? Die Suche nach einem atomaren Endlager gestaltet sich schwierig.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Klar ist: Die Atomlobby redet mit. Nach SZ-Informationen zieht der Chef des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner, als Vertreter der Industrie in die Kommission für die Suche nach einem Atommüll-Endlager ein. Die übrige Besetzung gestaltet sich weitaus schwieriger.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Zumindest für Industrie, Kirchen und Gewerkschaften ist die Sache schon klar. Wenn irgendwann im Herbst eine Kommission beginnen soll, die Voraussetzungen für eine neue Endlagersuche zu schaffen, wird auch das Deutsche Atomforum mit am Tisch sitzen - seit je eine Lobby für den umstrittenen Salzstock Gorleben. Das geht aus einem Schreiben hervor, das am Dienstag die zuständigen Berichterstatterinnen der Fraktionen erreicht hat.

Danach hat die Industrie den Chef des Atomforums, Ralf Güldner, benannt; sekundiert von Gerd Jäger, ehemals Chef der RWE-Atomsparte. Für die Deutsche Bischofskonferenz kommt der einstige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), die Evangelische Kirche schickt den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister. Die Gewerkschaften schließlich entsenden Edeltraud Glänzer, die im Vorstand der Bergbaugewerkschaft IGBCE sitzt, sowie Erhard Ott aus der Verdi-Spitze.

So weit zum leichten Teil. Der ganze Rest der Kommission gestaltet sich weitaus schwieriger. Denn wen Bund und Länder entsenden, wen sie als Wissenschaftler in die Kommission berufen, das ist derzeit völlig offen. Die Zeit aber rennt: Schon in der übernächsten Woche soll der Bundestag bei seiner Sondersitzung über den Expertenzirkel entscheiden. Dem Gremium, in das viele offenen Fragen vertagt worden waren und das die Grundlagen der Suche erst festlegen soll, droht ein Fehlstart.

Das beginnt schon bei den Ländern. Sie dürfen acht Vertreter in die 33-köpfige Kommission entsenden. Wie viele davon dem schwarz-gelben Lager angehören und wie viele dem rot-grünen, ist umstritten. Union und FDP wollen Halbe-Halbe machen. SPD und Grüne dagegen wollen fünf der acht Mitglieder benennen - wegen der Machtverteilung in den Ländern. Vieles spricht für eine Vertagung dieses Streits.

Schwieriger noch sieht die Lage bei den Experten aus, über die momentan die zuständigen Berichterstatterinnen im Bundestag verhandeln. Derzeit kursieren "Kreuzchen-Listen", auf denen gut 20 Experten benannt sind - nebst Kreuzchen, wer für welche Fraktion vorstellbar wäre. Auf mehr als drei Kreuzchen von den fünf Fraktionen allerdings kommt kein Kandidat, ganz im Gegenteil: Die meisten haben nur eins.

"Wir werden keine jungfräulichen Experten bekommen"

Nach 30 Jahren Kontroverse um den Salzstock im Wendland gibt es kaum noch Experten, die nicht dem einen oder anderen Lager zuzuordnen wären, pro oder contra Gorleben. "Wir werden keine jungfräulichen Experten bekommen", sagt Angelika Brunkhorst, Berichterstatterin der FDP im Umweltausschuss. "Jeder wird bei der einen oder anderen Personalie tief Luft holen müssen."

Fragt sich nur, wie tief. So bieten Union und FDP eine Reihe von Experten auf, die als bekennende Anhänger des Salzstocks Gorleben gelten. Umgekehrt finden sich unter den rot-grünen Experten einige, die seit jeher vor der Unsicherheit des Salzstocks warnen. "Die Kunst ist es, Vertrauen in beide Richtungen aufzubauen", sagt Maria Flachsbarth (CDU), Kopf der Berichterstatterinnen-Runde. "Also zu denen, die nicht an die Offenheit unserer Suche glauben, und auch zu jenen, die eine neue Suche für unnötig halten, weil Gorleben doch eignungshöffig sei."

Einige Umweltverbände, die weiter die Offenheit der Suche bezweifeln, haben ihre Konsequenzen schon gezogen: Sie boykottieren das Gremium. Die Umweltbewegung, so schrieb der Deutsche Naturschutzring jüngst an Flachsbarth, müsse deshalb "noch einige Wochen" beraten, wen sie schickt. Solange bleiben ihre Sitze leer, sehr zum Leidwesen auch der Grünen.

"Wenn die Industrie den Chef des Atomforums schickt, die Umweltbewegung aber niemanden, wäre das fatal", sagt Grünen-Umweltpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl. Ähnlich sieht das SPD-Obfrau Ute Vogt. Diesen Donnerstag wollen die Umweltgruppen abermals beraten, und am selben Tag konferieren auch die Parlamentarierinnen. Viel Zeit bleibt schließlich nicht.

Ohnehin ist die entscheidende Personalie noch ungeklärt: der Vorsitz. Zuletzt wurde der einstige Wirtschaftsminister Werner Müller gehandelt. Doch seine Chancen schwinden, ungeachtet aller Vorabsprachen zwischen Kanzleramt und Oppositionsführern. Denn mit Ausnahme der IGBCE-Funktionärin Glänzer ist die Kommission bisher ein reines Männergremium. Und das spräche doch sehr für eine Frau an der Spitze.

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