Süddeutsche Zeitung

Kommentar zu Comeys Rausschmiss:Der FBI-Chef wurde Trump zu unbequem

James Comey hat die Verbindungen von Trumps Team nach Russland untersuchen lassen. Dass der US-Präsident ihn inmitten laufender Ermittlungen rauswirft, zeigt, wie egal Trump Anstand und Moral sind.

Kommentar von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Donald Trump feuert FBI-Chef James Comey. Und zwar, weil der im Sommer 2016 die E-Mail-Affäre von Hillary Clinton aus Mangel an Beweisen für vorerst beendet erklärt hatte. Im Englischen gibt es darauf eine schöne und kurze Gegenfrage: Seriously? Ernsthaft?

So überraschend der Rausschmiss an diesem Dienstag war, so fadenscheinig ist die Begründung. Erst bastelt sich der frisch einbestellte stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein eine Mitteilung zusammen, die allein auf Comeys Verhalten in der Clinton-E-Mail-Affäre abzielt. Gespickt mit Zitaten von Persönlichkeiten, die auch finden, dass der FBI-Direktor damals Fehler gemacht habe. Das Papier schickt sein Chef Jeff Sessions dann mit der Empfehlung an Trump, Comey umgehend seines Amtes zu entbinden. Was der prompt macht. Der Chef der Bundespolizei ist gefeuert. Mit sofortiger Wirkung.

Alle Dokumente datieren vom 9. Mai 2017. Als hätte jemand nur auf diese Gelegenheit gewartet, Comey endlich loszuwerden. Und es ist nicht vermessen anzunehmen, dass dieser Jemand Trump selbst war. Mit dem Rausschmiss von FBI-Chef Comey unterstreicht Trump, wie egal ihm Anstand und Moral sind, wenn es um seinen eigenen Vorteil geht.

Sehr wahrscheinlich stecken nicht Comeys Fehler in der Clinton-Affäre hinter Trumps Begehren, Comey nun loszuwerden. Sondern die Tatsache, dass der FBI-Chef dem US-Präsidenten noch hätte gefährlich werden können. Denn dieser treibt mit großer Energie die Ermittlungen darüber voran, welche Verbindungen Trumps Wahlkampfteam nach Russland hatte - oder sogar noch hat.

Als Comey sich dann vergangene Woche erneut einen Schnitzer erlaubte und damit Ärger auf sich zog, war die Gelegenheit ihn loszuwerden offenbar zu gut, um sie verstreichen zu lassen.

Nicht Tausende, nur zwölf Mails mit vertraulichem Inhalt

Die Gelegenheit sah so aus: Comey hat im Kongress eine falsche Aussage gemacht, was Anzahl und Bedeutung von Clinton-E-Mails angeht, die auf dem Rechner des Mannes einer Vertrauten von Hillary Clinton gefunden wurden. Das FBI hat an diesem Dienstag in einem Brief an den Kongress die Sache richtigstellen müssen. Tatsächlich sind nicht Tausende, sondern nur zwölf Mails mit vertraulichem Inhalt auf dem Rechner gefunden worden.

Erstaunlich ist, dass diese Fehlleistung weder im Memo von Rosenstein, noch in den Briefen von Sessions (an Trump) oder Trump (an Comey) erwähnt wird. Allein Comeys Verhalten 2016 wird als Kündigungsgrund angegeben. Als ob alles schon fertig vorbereitet in einer Schublade gelegen hätte. Glaubwürdig ist das nicht.

Trump hatte Comey lange trotz der allgemein bekannten und öffentlich kontrovers diskutierten Verfehlungen im Amt belassen. Er hätte ihn auch direkt nach seiner Amtsübernahme feuern können. Er darf das. Er muss nicht einmal Gründe angeben. Aber Comey war ihm nützlich, als er elf Tage vor der Wahl doch wieder Ermittlungen gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre aufnehmen ließ. Das hat Trump geholfen. Womöglich wollte er sich einfach dankbar zeigen.

Nur zeigte sich Comey seinerseits wenig dankbar. Comey hat nicht nur klargemacht, dass aus seiner Sicht nichts an Trumps Vorwurf dran ist, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn im New Yorker Trump Tower abhören lassen. Comeys FBI ermittelt auch akribisch die Verbindungen, die Trumps Leute zu Russland hatten und womöglich noch haben. Im Visier ist unter anderem der bereits zurückgetretene Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn. Und auch Trumps Justizminister Jeff Sessions hatte Verbindungen zu Russland, die er zunächst leugnete.

Aus dem Trump-Helfer Comey wurde ein Problem für Trump. Ein Problem, das jetzt aus der Welt ist. Die Demokraten befürchten, dass ein neuer FBI-Chef es nicht so eilig haben wird, die Russland-Verbindungen im Umfeld von Trump auszuleuchten.

Es muss alles nichts bedeuten - aber es kann

Es muss ja alles nichts bedeuten. Aber an diesem Mittwoch ist der russische Außenminister Sergej Lawrow in Washington. Er sollte eigentlich nur auf seinen US-Kollegen Rex Tillerson treffen. Jetzt kommt er auch mit Trump zusammen, meldet das Weiße Haus.

Das lässt zumindest Raum für Spekulationen über Trumps eigene Verbindungen zu Russland. Spekulationen, denen sich kein US-Präsident ausgesetzt sehen sollte, weil sie seine Integrität in Zweifel ziehen können. Aber Integrität ist gemessen an seiner bisherigen Amtsführung vermutlich nichts, worüber Trump wirklich nachdenkt. Seriously.

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