Kommentar:Recht gedehnt

Der Terrorverdächtige wurde in der Kolonnenstraße im Berliner Stadtteil Schöneberg festgenommen. (Foto: dpa)

Nach der Festnahme wegen Terrorverdachts in Berlin kommt ein Flüchtling in Untersuchungshaft. Wegen eines Passvergehens. Das kann das Gericht nicht ernst meinen.

Kommentar von Ronen Steinke

Es ist hart an der Grenze des Diskutablen, ob der Staat sogenannte Gefährder vorbeugend in Haft nehmen können sollte. Ein solcher Vorschlag kam neulich aus der CSU. Gefährder sind Leute, denen die Ermittler keine Vorbereitungshandlungen für einen Terroranschlag nachweisen können, auch keine Unterstützung für Terroristen, auch nicht irgendetwas Ähnliches. Trotzdem möchte man sie einsperren, vorbeugend, auf Nummer sicher. Sehr hart an der Grenze des Diskutablen, wie gesagt. Indiskutabel aber ist es, wenn ein Gericht sich ein solches Recht einfach selbst herausnimmt.

Kein Richter hat einen Beweis gesehen, der den Terrorverdacht unterfüttert

In Karlsruhe hat die Bundesanwaltschaft einen angeblichen Tunesier als Terrorverdächtigen vorgeführt. Kein deutscher Richter hat bisher Beweismittel gesehen, die diesen Verdacht unterfüttern würden; nach geltendem Recht war der Mann freizulassen. Darauf hat ein anderer Richter einen anderen Vorwurf vorgeschoben: Der Mann habe einen gefälschten syrischen Pass vorgelegt. Untersuchungshaft wegen Urkundenfälschung? Der Kauf eines gefälschten Passes ist eine typische Verzweiflungstat Tausender Flüchtlinge; illegal ja, gefährlich nein. Eine Haftstrafe gibt es in solchen Fällen normalerweise nie.

Es gibt Regeln für die Verfolgung von Terrorverdächtigen. Sie sind streng. Wenn sie trotzdem nicht ausreichen, um einen Verdächtigen einzusperren, darf ein Richter sie nicht dehnen und biegen, bis es passt.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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