Kommentar:Eine Farce unter dem Getröt der Medien

Wer in der Politik offene Briefe schreibt, will meistens mit der anderen Seite nicht kommunizieren.

Von Kurt Kister

In der Politik und nicht nur dort kann man in aller Regel von der Art der Kommunikation auf die Ernsthaftigkeit der zu kommunizierenden Botschaft schließen. Was vertraulich angebahnt wird, hat meistens Gewicht.

Will zum Beispiel der Bundeskanzler mit dem bayerischen Ministerpräsidenten eine heikle Frage klären, ruft er ihn direkt an oder lässt, wie schon geschehen, einen beiderseitig bekannten Vorstandschef ein Treffen organisieren.

Geht es andererseits aber nur darum, auf bekannten Standpunkten unter erheblichem Getröt der Medien zu beharren, schreibt man sich offene Briefe. In dieser Phase sind Union und SPD wieder einmal angekommen. Den Anlass dafür liefert die jüngste Arbeitslosenzahl, die mit 5,2 Millionen immerhin 400000 über jener Rekordmarke liegt, die Union und FDP in ihrem letzten Regierungsjahr 1998 zu verantworten hatten.

Daraus kann man zunächst lernen, dass es Schwarz-Gelb damals nicht gelungen ist, die enorm hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren, und außerdem auch, dass Rot-Grün bis heute genauso wenig erfolgreich ist. Dies mag auch daran liegen, dass die Möglichkeiten der Politik, die Lage auf dem Arbeitsmarkt wirklich zu beeinflussen, deutlich geringer sind als es die Parteien selbst behaupten - zumal dann, wenn sie gerade nicht an der Regierung sind.

"Tut endlich was!"

Viele Arbeitnehmer zum Beispiel wissen aus eigener Erfahrung, dass "ihr" Management in erster Linie darauf aus ist, die Kosten zu senken und oft hochgesteckte Renditeziele mit möglichst wenig Festangestellten zu erreichen - unabhängig davon, wer regiert. Seit Mitte der neunziger Jahre sind die hohe Arbeitslosenquote und die mit ihr Hand in Hand gehenden Staatsausgaben nebst der Verschuldung die zentralen Themen der politischen Auseinandersetzung.

Periodisch tauchen in diesem Prozess immer wieder Angebote zur Lager übergreifenden Zusammenarbeit auf, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen anderen Zweck haben, als dem Boulevard ("Tut endlich was!") vorzuführen, dass die jeweils anderen genauso unwillig wie unfähig sind. Je zeitlich näher solche öffentlichen Angebote vor wichtigen Wahlen liegen, desto größer ist ihr Grad der Unseriosität.

Es liegt also auf der Hand, was man davon zu halten hat, wenn sich zehn Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Unionsführung und Bundeskanzler offene Briefe über die gemeinsame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schreiben.

Liest man diese Briefe, so enthalten sie nichts anderes als die Betonung eines längst beschlossenen, von der SPD abgelehnten Aktionsprogramms der Union einerseits und andererseits aus dem Kanzleramt die Beschreibung der bereits in Gang gesetzten Reformen gemäß der Agenda 2010.

Wenn Merkel, Stoiber, Schröder und Müntefering ernsthaft kooperieren wollten, würden sie das nicht über Bild und den Regierungssprecher anbahnen. Das Ganze ist eine Farce, und sie fördert die Verdrossenheit über diese Art von symbolischer Politik.

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