Kommentar:Die Zukunft der Beamten

Vor zwei Jahren hatten der damalige Innenminister Schily und die Staatsdiener einen Pakt zur Veränderung des Beamtentums an Haupt und Gliedern beschlossen: mehr Flexibilität, mehr Selbstbescheidung, Bezahlung nach Leistung. Die Bundestagswahl hat das Reformwerk obsolet gemacht - es liegt da wie ein auf den Strand geschwemmter Wal.

Joachim Käppner

In der Schlussszene von Casablanca entdecken Humphrey Bogart als Barbesitzer Rick und sein alter Gegner, der französische Polizeipräfekt Louis Renault, ihre gemeinsamen Interessen, worauf Bogart die legendären Worte spricht: "Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft."

In der deutschen Realität ist eine vergleichbare Freundschaft jetzt gerade - notgedrungen - zu Ende gegangen. Das ungleiche Duo bestand aus Peter Heesen und Otto Schily: Hier die barocke Gestalt des Beamtenbunds-Chefs, dort der strenge oberste Dienstherr der Beamten; hier der eloquent-joviale Interessenvertreter, dort die Verkörperung des starken Staates, der sich keinen Partikularinteressen beugt. Vor zwei Jahren erst hatten die beiden - von Natur aus eigentlich Antagonisten - einen Pakt zur Veränderung des Beamtentums an Haupt und Gliedern beschlossen: mehr Flexibilität, mehr Selbstbescheidung, Bezahlung nach Leistung.

Der eine konnte nicht ohne den anderen. Heesen schwor den mächtigen Verband, bis dahin ungefähr so beweglich wie die Maginot-Linie, auf Opfer ein - weil er wusste, dass diese unvermeidlich sind in einer Gesellschaft, die Besitzstände aus guten Gründen kritisch hinterfragt. Dafür hatte er in Schily den Garanten dafür, dass sich zwar vieles ändern würde, das Beamtentum im Kern aber unangetastet blieb.

Die Bundestagswahl hat das Reformwerk obsolet gemacht, es liegt da wie ein auf den Strand geschwemmter Wal. Schilys Nachfolger Wolfgang Schäuble will und muss bei den Bezügen des öffentlichen Dienstes des Bundes massiv sparen, was der Reform nicht gerade nutzen kann. Es spornt Arbeitnehmer, ob Beamte oder nicht, kaum zu mehr Leistung an, wenn sie hinterher weniger verdienen als zuvor.

Die angeblich fette und privilegierte Kaste

Und selbst wenn die Reform wieder in Gang kommen sollte, wird sie wohl nur noch für die kleine Schar der Bundesbeamten gelten. Nach den neuen Plänen zur Föderalismusreform soll das Beamtenrecht zum entscheidenden Teil Ländersache werden, eine bizarre Entscheidung für ein Gemeinwesen, das sich angeblich aus dem Würgegriff der Bürokratie befreien will. Damit droht dem öffentlichen Dienst ein Rückfall in jene Kleinstaaterei, die beim Schulwesen und den Universitäten so heillos verworrene Zustände geschaffen hat.

Wie werden die Länder ihre Beamten dann behandeln, wenn der einheitliche, vom Bund vorgegebene Rahmen einmal zerbrochen sein wird? So wie sie es bisher auch, im Rahmen noch begrenzter Kompetenzen, getan haben: Nach Kassenlage, und die ist nicht gut noch wird sie es in absehbarer Zeit sein. Es gibt viele Klagen, nicht zuletzt von Politikern selbst, über die angeblich fette und privilegierte Kaste der Beamten. Aber diejenigen, die dieses Vorurteil pflegen, würden es sich wohl kaum bieten lassen, wenn ihnen der Arbeitgeber Jahr für Jahr das Gehalt zusammenstreicht, wie es beim Weihnachts- und Urlaubsgeld der Landesbeamten der Fall ist. Sie möchten sicher auch nicht den harten Job eines Schutzpolizisten oder Gefängniswärters machen, die mäßig bis erbärmlich entlohnt werden. Beamte sind Diener des Staates, nicht mecklenburgische Knechte, die der Gutsherr entlohnt, je nachdem wie viel Geld nach Abzug der sonstigen Kosten noch in der Kasse ist.

Das alles heißt nicht, dass der öffentliche Dienst sakrosankt wäre. Die längeren Wochenarbeitszeiten etwa, die der Beamtenbund derzeit so heftig beklagt, sind gewiss zumutbar. Doch der Staat, fixiert auf Gehaltskürzungen, setzt die falschen Prioritäten. Den einzelnen Beschäftigten gegenüber ist dieses Verfahren unfair, weil es ihre individuelle Leistung nicht berücksichtigt. Dabei ließe sich im öffentlichen Dienst viel Geld sparen - durch gründliche Strukturreformen. So gehört die öffentliche Verwaltung entschlackt und modernisiert - Firmengründer etwa werden nach einem obrigkeitlichen Verfahren behandelt, das in die Kaiserzeit aber nicht ins 21. Jahrhundert passt. Durch elektronische Vernetzung, durch Modernisierung und Straffung der Verwaltung, durch Auflösung überflüssiger Behörden ließen sich, wie man neudeutsch so schön sagt, enorme "Synergieeffekte" erzielen.

Gewöhnt an Selbstmitleid

Langfristig ist es wegen der steigenden Pensionslasten auch zu teuer, einen so gewaltigen Beamtenapparat zu unterhalten wie heute. Lehrer und Professoren müssen nicht unkündbare Beamte sein. Sie sind es aber, weil es dem Staat auf kurze Sicht billiger kommt; weil er zum Beispiel den Arbeitgeberanteil für die Rentenversicherung spart. Die Pensionen bezahlen die künftigen Steuerzahler und Wähler.

Die Deutschen haben sich daran gewöhnt, sich selbst zu bemitleiden. Die Errungenschaften, um die sie andere beneiden, gelten ihnen wenig. So ist es, wenn die Fußball-Nationalmannschaft ein Spiel knapp gewinnt und die üblichen Verdächtigen im Fernsehen mit umwölkter Miene fragen, warum Gegentore überhaupt zugelassen wurden. Und so ist es, wenn das Land eine gut funktionierende Staatsverwaltung, zuverlässige Rettungsdienste, eine effiziente Polizei hat und der öffentliche Dienst dennoch behandelt wird wie ein Klotz am Bein. Wer sich diesen Luxus leisten kann, dem kann es so schlecht gar nicht gehen.

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