Kommentar:Der Mann mit schwäbischer Grandezza

Oettinger ist ein Anti-Teufel: Er weiß, woher der Wind weht, und kann ihn notfalls selber machen.

Von Heribert Prantl

Oettinger contra Schavan. Personalkonflikte solcher Art gibt es, seitdem sich Menschen erst in Horden, später in Clans, dann in Parteien organisiert haben. Früher hat man diese Machtkämpfe gern mit Gift, Dolch oder Seidenschnur entschieden. Heute macht man das mit Abstimmungen. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Man nennt ihn Demokratie. Aber nicht jede Abstimmung ist automatisch ein Segen.

Sicherlich: Eine Urabstimmung kann dazu beitragen, aus lahmen Funktionärsparteien lebendige Ortsvereine zu machen. Eine institutionalisierte Urabstimmerei kann aber auch zum Fluch werden - wenn sich die Parteien selbst zu einem Meinungsforschungsinstitut degradieren. Die Urabstimmung der CDU-Basis in Baden-Württemberg im Speziellen war deswegen heikel, weil nach dem Gesetz der Landtag den Ministerpräsidenten wählt, nicht das Parteivolk der CDU.

Wenn nun per Mitgliederentscheid den Abgeordneten ein imperatives Mandat aufgehalst wird, ist das nicht in Ordnung. Zweitens ist anzumerken, dass eine Basisabstimmung nicht per se höhere Gewähr für die richtige Entscheidung bietet. Es ist ein Irrglaube, dass auf diese Weise automatisch der bessere Kandidat obsiegt; und es ist ein wenig verrückt zu glauben, dass, wenn über Sachfragen urabgestimmt wird, das Ergebnis besondere Weihen hat.

Oettinger wollte Mitgliederentscheid nicht

Die FDP hat einst per Mitgliederabstimmung den Großen Lauschangriff bejaht; das Bundesverfassungsgericht hat dann aufgezeigt, wie wenig der Lauschangriff mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Auch die SPD-Urabstimmung über den neuen Parteichef im Jahr 1993 war keine Erfolgsgeschichte: Damals hat Rudolf Scharping gewonnen.

Aber solche Kritik am Verfahren trifft nicht automatisch den, der daraus als Sieger hervorgegangen ist.

Günther Oettinger wollte den Mitgliederentscheid nicht, er hat sich dem Begehren seiner Gegenkandidatin Annette Schavan und des jetzigen Regierungschefs Erwin Teufel nolens volens gefügt. Die Urabstimmung war Schavans einzige Chance; sie reichte ihr nicht. Beide, Oettinger und Schavan, haben vom Wettbewerb profitiert: ein wenig mehr Profil gewonnen hat jeder von ihnen; und beide können das brauchen.

Oettinger wird nun keinen schlechteren oder besseren Ministerpräsidenten abgeben, weil er (auch) vom Parteivolk auf den Schild gehoben wurde. Er verfügt über ordentliche Voraussetzungen: Er gilt als Wirtschaftsfachmann, ist zugleich ein fundierter Generalist mit großer landespolitischer Erfahrung; Schavan ist eher Spezialistin fürs Grundsätzliche.

Oettinger wird schon vom Typus her ein ganz anderer Regierungschef sein als Erwin Teufel. Sein politischer Stil wird an den von Lothar Späth erinnern, mit einem Schuss schwäbischer Grandezza. Oettinger wird immer wissen, woher der Wind weht; wenn es sein muss, wird er ihn auch selber machen.

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