Kommentar:Bushs Kelly-Moment

Die illegale Enttarnung einer CIA-Agentin könnte dem US-Präsidenten schwer schaden.

Von Wolfgang Koydl

(SZ vom 01.10.2003) - Das amerikanische Intellektuellen-Magazin The New Republic widmete seine jüngste Titelgeschichte einem beispiellosen Phänomen: dem tiefen, blinden und mitunter rein persönlichen Hass vieler Demokraten auf Präsident George Bush. Doch die Zeitschrift vergaß einen zweiten Mann zu erwähnen, der wohl noch mehr gehasst wird als der Chef: Karl Rove, Bushs Spitzenberater und Architekt von dessen politischer Karriere.

Da überrascht es nicht, wie rasch die demokratische Opposition Berichte aufgriff, wonach es ausgerechnet Rove gewesen sein soll, der einem Zeitungskolumnisten den Namen einer Geheimdienstagentin verraten habe, um sich an deren Ehemann zu rächen oder ihn einzuschüchtern. Dieser Ehemann, Joseph Wilson, einst US-Botschafter im westafrikanischen Gabun, hatte öffentlich die Behauptung Bushs angezweifelt, dass sich Diktator Hussein in Afrika waffenfähiges Uran beschafft habe. Wilsons Ehefrau Valerie Pame arbeitet für die CIA.

Bekannt für schmutzige Tricks

Für schmutzige Tricks ist Bush-Berater Rove seit langem berüchtigt, und insgeheim würden ihm wohl auch Freunde und Vertraute eine solche Schandtat zutrauen. Doch zum Verdruss der oppositionellen demokratischen Präsidentschaftskandidaten hat Wilson seine ursprüngliche Behauptung zurückgezogen, wonach Rove der Urheber der Indiskretion gewesen sei. Nun spricht er nur von einer Quelle aus dem Weißen Haus.

Soviel bestätigt auch der Kommentator Robert Novak, der die Identität von Wilsons Frau in seiner Kolumne verriet. Doch es reicht auch aus, wenn ein unbedeutenderer Mitarbeiter als Rove die Quelle war, um Bush in politische Nöte zu stürzen. Nach US-Gesetz ist es ein kriminelles und mit zehn Jahren Haftstrafe zu ahndendes Vergehen, den Namen eines Geheimagenten zu enthüllen.

Weitaus wichtiger als der Kriminalaspekt ist jedoch der politische Effekt. Denn allzu offensichtlich sind die Parallelen zur Affäre um den vermutlich in den Selbstmord getriebenen britischen Waffenexperten David Kelly, der Premierminister Tony Blair seit Wochen Kopfschmerzen bereitet. Auch hier war eine unbescholtene Person im Zusammenhang mit der propagandistischen Verwertbarkeit von Geheimdienst-Informationen öffentlich kompromittiert worden. Auch hier stand im Hintergrund eine finstere und verhasste Figur - Blairs Kommunikationsdirektor Alastair Campbell.

Unterschiede zur Kelly-Affäre

Aber natürlich gibt es auch Unterschiede. So scheint sich herauszukristallisieren, dass Valerie Pame nicht als getarnte Agentin in Feindesland arbeitet, sondern in einem Büro in der CIA-Zentrale vor den Toren Washingtons. Ihr Mann konnte auf die Frage, ob seine Frau nach der Enthüllung nun gefährdeter sei als zuvor, denn auch nur antworten: "Also, das weiß ich jetzt nicht."

Im Weißen Haus nimmt man die Sache freilich ernst. Bush soll angeordnet haben, der Angelegenheit "auf den Grund" zu gehen. Denn auch haltlose Vorwürfe können ein Eigenleben entwickeln und politische Schäden anrichten. Bush muss nur Rove fragen. Der kann ihm sagen, wie man so etwas einfädelt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: