Kommentar:Angela Machiavelli

Wie die CDU-Chefin mit Wolfgang Schäuble ein diabolisches Spiel trieb — und sich dabei selbst unmöglich machte.

Von Heribert Prantl

Vor gut dreihundert Jahren hat Christian Weise, er war Schulmeister in Zittau, ein Lustspiel mit dem Titel "Bäurischer Machiavellus" geschrieben. Es handelt von den Schachereien bei der Besetzung des Amts des Pickelhärings in einem Marktflecken namens Querlequitsch.

Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle haben in den vergangenen Tagen und Wochen dieses Spiel gespielt. Sie haben so agiert, als sei nicht das Amt des Bundespräsidenten in Deutschland, sondern das des Pickelhärings von Querlequitsch zu besetzen, der dort als Spaßmacher, Hochzeits- und Leichenbitter zu fungieren hatte.

Merkel, Stoiber und Westerwelle haben demonstriert, dass sie es für unwichtig, belanglos, ja für völlig egal halten, wer diesen Staat repräsentiert, solange der oder die nur in ihre politische Lebensplanung und zu ihren Karrieregelüsten passt. Wenn es denn irgendetwas hülfe, müsste man sie nun wegen "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" zur Verantwortung ziehen - weil sie Spott und Hohn mit dem höchsten Staatsamt getrieben und so der Demokratie geschadet haben.

Trauriges Fazit

Dies ist keine Vorab-Disqualifizierung dessen, der nun ins Schloss Bellevue einziehen wird, sei es nun Gesine Schwan oder Horst Köhler; es ist nur das traurige Fazit einer unwürdigen und zynischen Veranstaltung.

Als Helmut Kohl 1993 Steffen Heitmann aus Dresden als Bundespräsidentenkandidat der Union präsentierte, hatte er dafür immerhin eine gute, sachliche Begründung: Er wollte, was sehr vernünftig war, einen Politiker aus den neuen Bundesländern berufen lassen; dass Heitmann dann aus anderen Gründen zurückgezogen werden musste, machte die Ausgangsüberlegung nicht unvernünftig. Solche sachlichen Überlegungen wurden diesmal gar nicht mehr angestellt. Um Eignung ging es nicht mehr, sondern allein um Polit-Schach.

Das eingangs genannte Stück heißt deswegen "Bäurischer Machiavellus", weil in der Rahmenhandlung Niccolo Machiavelli angeklagt wird, mit seinen Schriften die "Falschheit, List und Betrügerei" in die Welt gebracht zu haben. Der verteidigt sich aber erfolgreich mit dem Hinweis darauf, dass "gemeine Personen" die schlimmsten Machiavellisten seien, ohne seine Schriften je gelesen zu haben - und er schickt, um dies zu beweisen, das Gericht nach Querlequitsch.

"Die kann es nicht"

Dort trifft man also nun auch die Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU, die im Mittelpunkt des täppisch-diabolischen Spiels steht, in dem ihr Vorgänger Wolfgang Schäuble um das Amt des deutschen Bundespräsidenten gebracht worden ist. Man fragt sich, ob dies das Ergebnis eines Merkelschen Gesamtvorsatzes ist, eines diabolisch-genialen Plans der CDU-Chefin, die ihren intellektuell überlegenen Konkurrenten von vornherein ausschalten wollte. Oder ob dies das Ergebnis ihres Unvermögens ist, wie es schon im Jahr 2000 Helmut Kohl erkannt hat, als von ihm der Satz kolportiert wurde: "Die kann es nicht."

Es ist wohl beides. Angela Merkel hat sich zum einen in rücksichtsloser und zynischer Manier durchgesetzt, ohne Rücksicht auf menschlichen Anstand gegenüber Schäuble. Als klassisch machiavellistisch hätte das gelten können, wenn es ihr durch die Art der Durchführung des Plans gelungen wäre, ihre politische Macht als Parteichefin und potenzielle Kanzlerkandidatin zu erhalten und zu festigen. Genau das aber ist nicht der Fall. Sie hat im gesamten Ablauf der Geschichte fulminante Fehler gemacht: Sie hat erstens gegen ein Grundgesetz der Union verstoßen und ohne Not die CSU brüskiert.

Sie hat zweitens in Wolfgang Schäuble einen der verdientesten Unions-Politiker so schäbig, so unehrlich und gemein behandelt, dass ihr das auch diejenigen in der Partei, die nicht zu den Mitgliedern des Fanclubs Schäuble zählen, lange nachtragen werden. Sie hat schließlich das Selbstwertgefühl ihrer Partei verletzt, indem sie ausgerechnet in einer Zeit, in der die CDU vor Kraft schier platzt, sich der FDP ausgeliefert hat.

Machiavellistin von ungeschlachtem Ehrgeiz

Sie hat es zugelassen, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt. Sie hat damit die Verlässlichkeit des potenziellen Koalitionspartners FDP nicht gesteigert, sondern geschwächt. Und sie hat der Öffentlichkeit ein widerwärtiges Bild von den Entscheidungsabläufen in der Union geboten. Sie hat sich unmöglich gemacht.

Kurz gesagt: Angela Merkel ist eine Machiavellistin von eher ungeschlachtem Ehrgeiz. Die Hauptrolle im "bäurischen Machiavellus" füllt sie gut aus. Wenn es, woran es kaum Zweifel gibt, ihr Ziel war, Schäuble zu verhindern - dann hat sie einen Pyrrhus-Sieg errungen; ihre eigenen Verluste sind hoch. Und wenn sie nun behaupten mag, sie habe ja Schäuble durchaus gewollt, aber nicht durchsetzen können, dann hat sie das unglaublich schlecht und mutlos angepackt.

In beiden Fällen treten ihre Defizite offen zu Tage - ebenso wie in der Konfrontation mit Schäuble, der sie sich nun enthoben glaubt: Schäuble ist immerhin ein Kristallisationspunkt für Meinungsbildung. Angela Merkel ist eine politische Nullipara; ihr fällt inhaltlich wenig ein.

Ihre Position als Partei- und Fraktionschefin mag nicht akut in Gefahr sein, aber ihre weiteren Chancen sind gesunken. Die Hochphase ihrer Macht ist vorbei. Das Fundament für eine Kanzlerkandidatur der Angela Merkel bröckelt.

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