Kolumne:Strache vorm Ausschuss

Es wäre wünschenswert, wenn dem Medienspektakel bald eine sachliche Auseinandersetzung mit den Korruptionsvorwürfen folgt.

Von Leila Al-Serori

An diesem Donnerstag startete im Parlament der Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre mit der Befragung der beiden "Hauptdarsteller" Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Und am Ende dieses ersten langen Tages, als ich über den Heldenplatz in der Abenddämmerung nach Hause spaziert bin, musste ich vor allem über zwei Sätze von Gudenus nachdenken.

"Im Nachhinein ist man immer schlauer", sagte der langjährige FPÖ-Spitzenpolitiker, der Strache die Sache mit Ibiza als Organisator des Treffens eingebrockt hat, nämlich treffenderweise auf die Frage, wie er die Ereignisse aus heutiger Sicht betrachte. Und dann sagte Gudenus irgendwann auch: "Ich würde Sie bitten, auf diesen Voyeurismus zu verzichten."

Voyeurismus müssen sich Öffentlichkeit und manche Medien im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre tatsächlich vorhalten lassen. So grotesk dieses Video sein mag, so absurd teilweise die Comeback-Versuche Straches anmuten - es gebietet sich ein gewisses Maß an Zurückhaltung.

Zurückhaltung zumindest war beim Auftakt am Donnerstag nicht zu spüren. Trotz Corona-Maßnahmen war der Medienandrang so groß, dass nicht einmal die Abstandsregeln eingehalten werden konnten. Als Strache am Nachmittag schließlich im Ausschuss erschien, wurde dies zu einem riesigen Scheinwerferspektakel für den ehemaligen Vizekanzler, der das sichtlich genoss. Er konnte sich wieder und wieder in die Kameras echauffieren, wie übel ihm mitgespielt werde und wie manipulativ die von SZ und Spiegel ausgewählten Videosequenzen seien.

Meine Kollegen und ich haben uns in den vergangenen Monaten bemüht, dieses Bild mit dem Entgegenhalten der Wahrheit und dem Offenlegen unserer Arbeitsweise zurechtzurücken. Das Video selbst (das aus mehreren Aufnahmen besteht) haben wir aus Gründen des Quellenschutzes und aus medienrechtlichen Erwägungen nicht veröffentlicht.

Da die österreichischen Ermittler das Video Ende April eigenen Aussagen zufolge beschlagnahmten und seither auswerten, dürfte der Untersuchungsausschuss in wenigen Wochen aber selbst Einblick bekommen.

Wobei es auch hier schon zu Ungereimtheiten kam, weshalb sowohl die Justizministerin Alma Zadić als auch Innenminister Karl Nehammer an diesem Freitag geladen waren. Denn weder die Staatsanwaltschaft noch der Untersuchungsausschuss haben vor Mitte Mai vom Fund des Videos erfahren. Nehammer bestätigte am Freitag auch, dass er Zadić nicht informiert hatte. Bis jetzt wurde auch weder eine Verschriftlichung noch das Material selbst weitergegeben, die Ermittler erklären das mit Umfang und Aufwand der Auswertung.

Wir wissen natürlich nicht, welches Material die österreichischen Ermittler nun genau vorliegen haben. Aber sollte es sich um dasselbe handeln, das wir zugespielt bekommen haben, könnte man hier anführen, dass wir von SZ und Spiegel etwa zwei Wochen gebraucht haben, bis alles verifiziert, übersetzt und transkribiert war. Das war ein enormer Kraftakt, der mit vielen Überstunden verbunden war. Aber eben einer, der in einem Team von elf Leuten in dieser Zeit machbar war.

Wie dem auch sei, das Video liegt dem Ausschuss noch nicht vor. Er startete auch deshalb mit einer Befragung von Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter. Den Falter haben wir vor einem Jahr am Ende unserer Recherchen hinzugezogen, Klenk durfte die uns vorliegenden Videoaufnahmen ein paar Tage vor Veröffentlichung in unserem Büro einsehen. Im Ausschuss musste er daher wieder und wieder bereits bekannte Szenen aus dem Video referieren. Im Anschluss konnte Heinz-Christian Strache das fehlende Video mehrfach als Vorwand für das Nichtbeantworten der Fragen verwenden. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung des Auftritts von Strache.

Zumindest der Verweis auf die nicht vorliegenden Aufnahmen dürfte in Kürze nicht mehr möglich sein. Was mich wiederum zu Gudenus bringt und seiner eingangs zitierten Ausage: "Im Nachhinein ist man immer schlauer." Es wäre wirklich wünschenswert, wenn bald eine sachliche Auseinandersetzung mit den Korruptionsvorwürfen folgt. Auf dass wir bald alle etwas schlauer sind. Übrigens: Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz muss dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen, wie mein Kollege Peter Münch hier schreibt.

Dieser Text ist zuerst am 5. Juni 2020 im Österreich-Newsletter erschienen.

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