Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Königin der Festspiele

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Hätten andere Kulturfestivals eine Präsidentin wie Helga Rabl-Stadler, würde die Welt der Absagen anders aussehen.

Von Susanne Schneider

Helga! Wer sonst? Ach, nicht drauf hören, natürlich würde sie sagen, nicht ihr, der Präsidentin der Salzburger Festspiele, sei es zu verdanken, dass diese Jubiläumsfestspiele im August doch irgendwie stattfinden können. Sie habe halt gehofft - und Hoffnung tue doch niemandem weh; und das mit dem Coronavirus sei ja ganz schrecklich für alle, und die Verantwortung, die man dem Publikum gegenüber habe, nehme man sehr, sehr ernst. Im Übrigen hat Helga Rabl-Stadler das alles so gesagt, sinngemäß. Gesagt hat sie ebenfalls, dass sie im Grunde keine Minute gezweifelt habe daran, dass irgendwas gehen würde im Sommer. Sie, die Königin der Hoffnung. Recht hat sie behalten. Freude? Ja. Triumph? Nein. Triumph ist was für Kleingeister, also nichts für Helga Rabl-Stadler.

Die 200 Vorstellungen an 44 Tagen zum hundertsten Geburtstag der Salzburger Festspiele sind auf 110 Aufführungen in 30 Tagen geschrumpft, statt 230.000 werden 80.000 Karten verkauft - die Abstandsregel. Blöd, sicher, die jahrelangen Planungen und Vorbereitungen, aber am Ende stehen die Salzburger viel besser da als die Olympischen Spiele, Oktoberfest, Bregenzer-, Bayreuther Festspiele, Oberammergauer Passionsspiele, Fußball-EM, alle abgesagt, keiner von ihnen hatte halt eine wie Helga Rabl-Stadler an seiner Spitze. Hätten sie eine gehabt, wäre es nicht ganz abwegig zu glauben, dass die Welt der Absagen heute ein wenig anders aussähe.

Helga Rabl-Stadler: Wen kann man heute noch mit Überzeugung als Dame bezeichnen, eine, wie sie wohl aussterben wird mit ihrer Generation? Geboren in Salzburg, Juristin, Journalistin, Geschäftsführerin, Politikerin. Seit 1995 Präsidentin der Festspiele, ausgestattet mit Verbindungen, von denen ein Festival nur träumen kann, zuständig für Organisation, Sponsoren und Einnahmen. Aber das ist es eben nicht allein. Unzählige Buhlschaften, die den Jedermann verführen wollten, hat sie erlebt, dazu sieben Intendanten von Gerard Mortier, dem Hitzkopf, über Alexander Pereira, der vorzeitig an die Mailänder Scala abdampfte, bis Sven-Eric Bechtolf, den Publikum wie Mitarbeiter liebten, das Feuilleton aber nicht, und Markus Hinterhäuser, den jetzigen Intendanten. Hinter jedem stand sie wie eine Löwenmutter und kämpfte für dessen künstlerisches Konzept, als wäre es ihr eigenes. Für jedes Interview stand sie zur Verfügung, die Haare onduliert, ein Ausdruck, der vielleicht nach ihr auf keine mehr zutrifft. Fast immer trägt sie ein maßgeschneidertes Kostüm, Tailleur oder Deux-Pièces hat man das früher genannt, dazu eine Brosche am Kragen links. Klug ist sie, gesellig, Humor hat sie und sollte sie über persönliche Abgründe verfügen, so behält sie die für sich.

Es gibt Menschen, die behaupten, selbst wenn alle Veranstaltungen hätten abgesagt werden müssen, Helga Rabl-Stadler hätte sich was eingefallen lassen, zur Not wäre der Jedermann, die DNA der Festspiele, auf dem sonst leeren Domplatz im Fernsehen übertragen worden. Sie selbst sagt, sie könne nur optimistisch sein, so ticke sie eben.

Lesen Sie hier mehr zum Programm 2020, das mein Kollege Reinhard J. Brembeck so zusammenfasst: Es ist so stimmig, dass es auch vor dem Lockdown überzeugt hätte.

Dieser Text ist zuerst am 12. Juni 2020 im Österreich-Newsletter erschienen.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2020
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