Süddeutsche Zeitung

Kolumne:Ausnahmekünstler

Ein Deutscher aus Wien auf Gastspiel in München - und das Wort des Jahres in Österreich.

Von Martin Zips

Letztens habe ich den Leopoldstädter gefragt, ob er nicht mal seine Stadt verlassen und mich in München besuchen möchte. Weil Dirk Stermann im "Heppel und Ettlich" liest. Der aus Duisburg stammende und in Wien lebende Kabarettist und Buchautor gilt in Österreich als so eine Art "sympathischster Deutscher". "Bitte?", hat der Leopoldstädter mich da gefragt. "Wegen Stermann soll ich nach München kommen? Du fährst ja auch nicht nach Linz, wenn der Hirschhausen dort ein Gastspiel gibt."

Also, das fand ich jetzt schon interessant. Natürlich würde ich dem Hirschhausen nicht hinterherfahren. Im Gegensatz zum Hirschhausen aber ist der Stermann ein wirklich talentierter Schriftsteller. Stermanns Bücher heißen "Eier", "Zweier", "Dreier", "Der Junge bekommt das Gute zuletzt" oder "6 Österreicher unter den ersten 5" und sind allesamt lesenswert. Literatur, nicht irgend so ein deutscher Selbstoptimierungskäse. Und gerade hat der Stermann einen großartig recherchierten Historienroman geschrieben. "Der Hammer" erzählt die Geschichte des österreichischen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall (1774 - 1856), der sehr gerne sehr bedeutend gewesen wäre. Klappte aber nicht so, wie er sich das vorstellte. Vielleicht passte Hammer-Purgstall einfach nicht ins System.

"Ach, Deutscher", hat der Leopoldstädter da laut geseufzt. "Weißt du, wir haben den Dorfer, den Hader, die Eckhart, den Vitásek und den Palfrader. Das alles sind Ausnahmekünstler. Und ihr? Ihr habt den Hirschhausen, den Waalkes und den Pocher. Und wäre der Stermann in Duisburg geblieben, wäre auch nix aus ihm geworden.

"Wie gemein dieser Leopoldstädter manchmal ist! Es gibt bei uns ja auch noch die Kebekus, den Welke und den Kerkeling, die Kroymann und die Wellküren. Doch während ich mich gerade in Rage geredet hab, hat der Leopoldstädter immer nur "Guten Morgen, liebe Sorgen" gesungen. Weil das Jürgen von der Lippe einmal gesungen hat. Und dann hat er mich noch darauf hingewiesen, von wie viel gutem Humor es zeuge, dass "Ibiza" in Österreich gerade zum "Wort des Jahres", "bsoffene Gschicht" zum "Unwort" und "zack, zack, zack" zum "Unspruch des Jahres" gewählt worden sei. "DAS ist lustig", hat der Leopoldstädter mir erklärt. So als wäre er der Dr. von Hirschhausen und ich sein Patient.

Jedenfalls ist der Leopoldstädter dann doch noch nach München gekommen, mit seinem wackeligen Rollkoffer, und mit mir zum Stermann gegangen. Das war ein schöner Abend. Der Stermann war recht klug und ernst und hat gesagt, dass er viel Mitleid empfunden hätte mit seiner so fürchterlich ehrgeizigen, vollkommen verrannten Figur, dem Orientalisten Hammer-Purgstall aus der Steiermark.

"Weißt du übrigens, wer dort hinten wohnt?", habe ich den Leopoldstädter gefragt, als die Lesung zu Ende war. "Die Jelinek! DEINE Literaturnobelpreisträgerin!" "Ehrlich?", hat der Leopoldstädter mich gefragt. "Wollt ihr den Handke vielleicht auch noch haben?

"Und dann sind wir an der Münchner Freiheit ein Bier trinken gegangen und der Leopoldstädter hat ganz laut "Fitze Fitze Fatze" gesungen. Das ist so ein Lied von Helge Schneider. Übrigens tritt Schneider bald mal auch in Linz auf. Aber klar, da werde ich natürlich nicht hinfahren.

Dieser Text ist zuerst am 6. Dezember 2019 im Österreich-Newsletter erschienen.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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