Verhülltes Denkmal:Kolumbus aus der Kiste

Verhülltes Denkmal: Da war sie noch nicht verhüllt: die Kolumbus-Statue in Philadelphia im Juni 2020.

Da war sie noch nicht verhüllt: die Kolumbus-Statue in Philadelphia im Juni 2020.

(Foto: Matt Slocum/AP)

In Philadelphia muss die Statue des Entdeckers wieder gezeigt werden - weil sie als ein schützenwertes Kulturgut gilt.

Von Reymer Klüver

Die Streifenwagen der Polizei von Philadelphia patrouillieren regelmäßig durch Marconi Plaza, einen kleinen Park im Süden der amerikanischen Millionenstadt. Das liegt weniger an den bei Grünanlagen sonst vielleicht üblichen Problemen etwa mit Drogenhandel. Es hat vielmehr mit einem in den Farben der italienischen Trikolore bemalten Holzkasten zu tun, der dort steht. Genauer gesagt, mit der Statue, die die Sperrholzplatten verhüllen. Sie zeigt in Marmor und überlebensgroß den Entdecker Christopher Kolumbus und steht dort seit 146 Jahren.

Das Denkmal ist Gegenstand einer Auseinandersetzung, die nicht nur Philadelphias Bürger entzweit, sondern die ganze Nation seit Jahren zutiefst spaltet - und längst nicht ausgestanden ist: Wer und was repräsentiert eigentlich Amerikas Geschichte? An wen sollte man sich erinnern, und an wen eher nicht? Es geht um Erinnerungskultur - und eben auch um Cancel Culture, also die selbst hochumstrittenen Bestrebungen, allem, was einen rassistischen oder diskriminierenden Hintergrund haben könnte, die öffentliche Aufmerksamkeit zu entziehen.

Vielerorts in den USA wurde der Columbus Day, ein Feiertag im Oktober zur Erinnerung an den Entdecker, offiziell schon abgeschafft. Und vor zwei Jahren wurden überall in Amerikas Städten Denkmäler verhüllt oder gestürzt, die Männern gewidmet waren, die in der Kolonialgeschichte der USA oder bei der Verteidigung der Sklaven haltenden Südstaaten eine Rolle gespielt hatten. Das war nach dem Tod des Schwarzen George Floyd. Ihm hatte ein weißer Polizist auf offener Straße in Minneapolis im Mai 2020 so lange die Luft abgedrückt, bis der 46-Jährige erstickte. Tagelang kam es zu Unruhen in vielen US-Städten, vor allem aber setzte eine Debatte über den Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft ein.

Darf dieser Teil der amerikanischen Geschichte mit Denkmälern gefeiert werden?

Auch die Kolumbus-Statue in Philadelphia wurde danach durch einen Holzverschlag den Blicken entzogen, weil mit der Ankunft des Entdeckers in der Neuen Welt 1492 der Genozid an der indigenen Bevölkerung Amerikas eingesetzt und die Sklaverei begonnen habe - ein Teil der Geschichte, der nun wirklich nicht mit Denkmälern gefeiert werden sollte. Nicht ganz so schnell, fanden die "Friends of Marconi Plaza", die dagegen klagten, weil sie wiederum die Erinnerung an den Anteil der Amerikaner italienischer Herkunft an der Geschichte des Landes geschmälert sahen durch die Denkmalsverhüllung. Kolumbus stammt aus Genua.

Am Freitag nun urteilte der Commonwealth Court of Pennsylvania, das oberste Verwaltungsgericht des US-Ostküstenstaates, dass die Stadtverwaltung den zwischenzeitlich grün-weiß-rot gestrichenen Holzkasten entfernen muss. Schließlich, so schrieb Richterin Mary Hannah Leavitt, handele es sich bei der Statue um ein Denkmal und nicht um "Eigentum der Stadt, wie es zum Beispiel eine Schneefräse ist". Zusätzlich kompliziert geworden war die Sache nämlich dadurch, dass Philadelphias Kolumbus-Denkmal 2017 selbst unter Denkmalschutz gestellt worden war. Weswegen die Statue als schützenswertes Kulturgut nicht sang- und klanglos vom Sockel geholt und ins Depot geschafft werden konnte, wie es in anderen Millionenmetropolen längst geschehen ist, etwa in Chicago, Boston oder Minneapolis.

Wie sehr Kolumbus oder die Erinnerung an die - weiße - Entdeckungsgeschichte Amerikas das Land noch immer entzweit, zeigt auch eine kleine Demo in der vergangenen Woche in Stamford, einem Städtchen bei New York. Dort protestierte ein Dutzend Einwohner gegen die geplante Abschaffung des Columbus Day an den Schulen der Stadt. Ihre zentrale Forderung dürfte indes bei vielen Bürger der Stadt eher unumstritten sein: "Schulfrei am Columbus Day muss erhalten bleiben."

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