Präsidentschaftswahlen:"Ein neues Kapitel in der Geschichte Kolumbiens"

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Der erste linke Kandidat, der Präsident in Kolumbien wird: Gustavo Petro feiert nach dem Wahlsieg vor Anhängern. (Foto: Fernando Vergara/dpa)

Gustavo Petro wird der erste linke Präsident des Landes. Er hat sich gegen den schwerreichen Rechtspopulisten Rodolfo Hernández durchgesetzt - und steht nun vor großen Herausforderungen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Südamerika rückt weiter nach links. In Kolumbien hat am Sonntag Gustavo Petro die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Wahlzettel bekam der Ex-Guerillero und frühere Bürgermeister von Bogotá in der Stichwahl etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen. Sein Gegenkandidat, der millionenschwere Bauunternehmer und populistische Regionalpolitiker Rodolfo Hernández, kam nur auf 47 Prozent.

Damit übernimmt das erste Mal in der Geschichte Kolumbiens ein dezidiert linker Politiker das Präsidentenamt. Für das Land ist das eine Zeitenwende: Wahlsieger Petro verspricht eine Abkehr von der stark wirtschaftsfreundlichen Politik der vergangenen Jahrzehnte. Seine Regierung will einen Sozialstaat auf- und ausbauen und dafür die reichsten Kolumbianer stärker besteuern. "Wir schlagen heute ein neues Kapitel in der Geschichte Kolumbiens auf", sagte Petro bei seiner Siegesfeier vor jubelnden Anhängern in Bogotá.

Südamerika
:Linkskandidat Petro gewinnt Präsidentschaftswahl in Kolumbien

Die Wahl galt schon im Voraus als Wendepunkt für Kolumbien: Zwei Außenseiter traten in der Stichwahl gegeneinander an. Nun steht das Ergebnis fest: Der nächste Präsident wird ein Ex-Guerillero.

Gleichzeitig setzt sich mit Petros Sieg ein größerer Trend fort: Auch in Argentinien, Bolivien, Peru und Chile sind zuletzt linke Kandidaten ins Amt gewählt worden. Sie versprechen mehr soziale Gerechtigkeit in einer der Regionen der Welt, in der Reichtum mit am ungleichsten verteilt ist.

In Kolumbien leben heute rund 40 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. War die Situation schon vor der Covid-19-Pandemie angespannt, hat sie sich seitdem noch einmal verschärft. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder teils heftige Massendemonstrationen gegeben. Sie entzündeten sich zum Beispiel an Steuererhöhungen, richteten sich dann aber schnell auch gegen eine politische Klasse, die viele Kolumbianer als abgehoben und elitär empfinden.

Der Kandidat des klassischen konservativen Establishments, das Kolumbien in den vergangenen Jahrzehnten regiert hat, schied dann auch schon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen aus. Zusammen mit Gustavo Petro zog überraschend Rodolfo Hernández in die Stichwahl ein, ein politischer Außenseiter, der seinen Wahlkampf vor allem über soziale Netzwerke geführt hatte und mit dem Versprechen der radikalen Korruptionsbekämpfung bei den Wählerinnen und Wählern punkten wollte.

Der Guerillakrieg hatte einen Wahlsieg linker Kandidaten lange fast unmöglich gemacht

Die Stimmung war vor der Wahl extrem angespannt. Aber bereits kurz nach Bekanntgabe der Auszählungsergebnisse eines Großteils der Stimmen erkannte Hernández seine Niederlage öffentlich an: "Ich habe Gustavo angerufen, um ihm zu seinem Sieg zu gratulieren", schrieb Hernández am frühen Sonntagabend (Ortszeit) auf Twitter.

Petros Sieg ist auch deshalb so beachtlich, weil Kolumbien in den zurückliegenden Jahrzehnten Schauplatz eines blutigen Bürgerkriegs zwischen Armee, rechten Paramilitärs und linken Guerillaorganisationen war. Der Krieg hatte es für linke Kandidaten fast unmöglich gemacht, Erfolg bei Wahlen zu haben. Gustavo Petro selbst war in seiner Jugend Teil einer dieser Rebellengruppen, M-19, schon 1990 hatte diese aber ihre Waffen niedergelegt und sich in eine politische Partei gewandelt. Petro selbst wurde Abgeordneter und Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, dennoch aber haftete ihm das Stigma des linken Guerilleros weiterhin an. 2010, als er sich zum ersten Mal als Kandidat für das Präsidentenamt in seinem Land aufstellen ließ, landete er noch weit abgeschlagen auf dem vierten Platz.

2016 aber hat die Regierung einen Friedensvertrag mit einer der größten Rebellengruppen des Landes unterschrieben, den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, kurz FARC. Zwar brachte dies am Ende nicht den von vielen erhofften Frieden für das Land, für viele vor allem junge Kolumbianer wurden linken Parteien aber zu einer Alternative in der ansonsten von konservativen Eliten geprägten Politiklandschaft.

Die künftige Vizepräsidentin Francia Márquez wird die erste Afrokolumbianerin in dem Amt. (Foto: Guillermo Legaria/Getty)

Mit Gustavo Petro zieht auch Francia Márquez in die Regierung ein, eine Akademikerin, alleinerziehende Mutter und ehemalige Hausangestellte, die sich schon als Jugendliche für Umweltschutz, Feminismus und die Rechte von Indigenen einsetzte. Márquez wird nun als erste Afrokolumbianerin Vizepräsidentin ihres Landes. Nach ihrem Sieg erinnerte sie an die Aktivisten und jugendlichen Demonstranten, die in den vergangenen Jahren in Kolumbien ermordet wurden: "Danke, dass ihr vorangegangen seid und die Samen des Widerstands und der Hoffnung gesät habt." In vielen Städten Kolumbiens gingen Anhänger von Petro und Márquez auf die Straße, um ihren Sieg bei den Wahlen zu feiern.

Gustavo Petro wird am 7. August sein Amt als neuer Präsident Kolumbiens antreten. Für seine Regierung wird es allerdings schwer werden, ihre anspruchsvollen Ziele politisch auch wirklich durchzusetzen. So plant sie eine Abkehr von der Ausbeutung fossiler Brennstoffe wie Kohle und Öl. Diese bringen dem Land aber wichtige Einnahmen, es ist unklar, wie ihr Wegfall in Zukunft ersetzt werden soll. Petros Parteienbündnis, der Pacto Histórico por Colombia, verfügt im Kongress außerdem nur über eine kleine Minderheit der Stimmen.

Die neue Regierung muss dazu auch eine tief gespaltene Gesellschaft wieder versöhnen, gleichzeitig sind die ökonomischen Spielräume eng begrenzt. Die Pandemie und die mit ihr einhergehenden Lockdowns haben das Land schwer getroffen, viele Menschen sind arbeitslos, die Inflation frisst die Löhne auf. Zu all dem kommen auch noch blutige Konflikte mit weiterhin agierenden Rebellengruppen und mächtigen Drogenkartellen, die ganze Landstriche fest unter ihrer Kontrolle haben.

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