Süddeutsche Zeitung

Proteste:Kolumbien schickt Militär auf die Straßen

Lesezeit: 2 min

Von Benedikt Peters und Sebastian Schoepp, München

Die Unruhen in Lateinamerika reißen nicht ab. Nun wird auch Kolumbien von heftigen Protesten erschüttert: Seit Ende der Woche gehen Hunderttausende Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen die Regierung. Nachdem sich die Krawalle am Freitag zuspitzten, kündigte Präsident Iván Duque an, das Militär auf die Straße zu schicken. Soldaten sollen nun gemeinsam mit Polizisten patrouillieren, um die Proteste einzudämmen. Die Behörden verhängten am Freitagabend zudem eine Ausgangssperre in der Hauptstadt Bogotá.

"Wir müssen jegliche Form der Gewalt kategorisch zurückweisen", sagte Duque in einer Fernsehansprache. Die Ausgangssperre in Bogotá währt zunächst bis Samstagmorgen, 6 Uhr (12 Uhr MEZ). Es wird damit gerechnet, dass die Unruhen am Wochenende weitergehen könnten. Bisher sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Nach Regierungsangaben wurden sie bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften getötet.

Mit seiner harten Reaktion versucht Präsident Duque, ein Szenario wie in anderen lateinamerikanischen Ländern zu vermeiden. In Chile gehen seit einem Monat Millionen Menschen auf die Straße und fordern soziale Verbesserungen. Bolivien wird ebenfalls von schweren Unruhen erschüttert, nach dem Rücktritt und der Flucht des früheren Präsidenten Evo Morales stehen sich dort zwei verfeindete Lager gegenüber. In Ecuador ist die Lage ebenfalls unruhig, und Venezuela steckt bereits seit Jahren in einer schweren Versorgungskrise.

In Kolumbien hatten die Proteste zunächst friedlich begonnen. Im Rahmen eines Generalstreiks gingen am Donnerstag Hunderttausende auf die Straße und forderten unter anderem mehr Gesundheitsvorsorge und günstigeren Zugang zu Bildung. Ein Bündnis aus Gewerkschaftern, Studenten und Lehrern prangerte die wirtschaftliche Ungleichheit an, die Gewalt gegen Indigene sowie ausufernde Korruption.

Brennende Barrikaden

Der Tageszeitung El Tiempo zufolge kam es dann aber zu Ausschreitungen. Demonstranten setzten Barrikaden in Brand, zerstörten Bushaltestellen und verwüsteten Geschäfte. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. In Cali, südwestlich von Bogotá verhängte der Bürgermeister ebenfalls eine nächtliche Ausgangssperre. 170 000 Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein, berichteten kolumbianische Medien. Zudem ließ die Regierung die Grenzübergänge schließen.

Soziale Proteste hat es in Kolumbien in dieser Form bisher nicht gegeben. Präsident Duque gab sich dialogbereit: "Wir wissen, dass friedliche Proteste in einer Demokratie legitim sind." Es hätten sich "Frustrationen angestaut, die wir lösen und um die wir uns kümmern müssen". Er widersprach Meldungen, seine Regierung beabsichtige, das Rentenalter hochzusetzen und Löhne für Berufsanfänger zu senken.

Kolumbien war mehr als 50 Jahre lang Schauplatz eines blutigen Bürgerkriegs, der erst 2016 mit einem Friedensschluss mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) offiziell zu Ende ging. Auch die Farc-Guerilla nahm stets für sich in Anspruch, für soziale Verbesserungen in dem Land zu kämpfen, das noch stark von Feudalstrukturen geprägt ist und von einigen wenigen großen Clans regiert wird. Kolumbien ist auch Hauptanbaugebiet für Koka. Der Frieden ist jedoch brüchig geworden, kleine Teile der Farc sind inzwischen wieder in den Urwald zurückgekehrt, weil sie der Regierung vorwerfen, die Friedensbedingungen nicht einzuhalten.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2019
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