Die Kleinstadt Mesetas liegt etwa acht Autostunden südlich von Bogotá. Für kolumbianische Verhältnisse ist das eine Kurzstrecke. Trotzdem fühlt es sich an wie eine Weltreise. Die Gegend um Mesetas gehörte in den zurückliegen fünf Jahrzehnten zu den schaurigsten Schauplätzen eines Bürgerkrieges, der mindestens 220 000 Menschenleben forderte und Millionen in die Flucht trieb. Weder der kolumbianische Staat noch das 21. Jahrhundert sind jemals dort angekommen. Auch deshalb hat es große Symbolkraft, wenn sich Staatspräsident Juan Manuel Santos und der Farc-Anführer Timoleón Jiménez am Dienstag in Mesetas treffen, um der Welt zu verkünden: Die Entwaffnung der größten Guerillagruppe Lateinamerikas ist abgeschlossen.
Es hat etwas länger gedauert. Laut der Vereinbarung im Friedensvertrag vom vergangenen Jahr hätten die knapp 7000 verbliebenen Farc-Kämpfer bereits bis Ende Mai sämtliche Waffen niederlegen sollen; stattdessen haben die UN-Truppen bis Anfang dieser Woche gebraucht. Die Verzögerung ist aber weniger der Guerilla anzulasten als dem kolumbianischen Staat, der es nicht termingerecht schaffte, jene 26 Entwaffnungszonen einzurichten, in denen sich die Guerilleros in Zivilisten verwandeln sollen. Andererseits: Was sind schon 27 Tage Verspätung nach über 50 Jahren blutiger Auseinandersetzung? Da hat der Friedensnobelpreisträger Santos schon recht, alles in allem ist diese Demobilisierung erstaunlich unkompliziert abgelaufen. Das größere Problem, das sich seinem Land stellt, lässt sich mit einer Frage zusammenfassen: Und jetzt?
Die ELN mordet und entführt weiterhin
Jetzt müsste, Santos zufolge, der Frieden in Kolumbien beginnen. Aber davon kann leider keine Rede sein. Dass ein Friedensvertrag und ein friedliches Leben zwei verschiedene Dinge sind, das ahnen die Kolumbianer nicht erst seit vergangenem Samstag, als bei einem Bombenattentat mitten in der Hauptstadt Bogotá drei Frauen starben. Die ELN, die zweitgrößte Guerillagruppe des Landes, hat diesen Anschlag genau wie die Farc verurteilt, das ändert aber nichts daran, dass die ELN weiterhin mordet und entführt und alle ernsthaften Friedensgespräche scheitern ließ.
Auch Nachfolgeorganisationen der offiziell längst entwaffneten rechtsextremen Paramilitärs verbreiten wieder Angst und Schrecken. Gerade in jenen Gegenden, die von der Farc verlassen wurden, kümmern sie sich nun um den Drogenhandel und machen offenbar gezielt Jagd auf Aktivisten und Bauernführer. Der Konstruktionsfehler dieses Friedens ist, dass die zentralen Konfliktursachen nicht beseitigt wurden: Die weitgehende Abstinenz des Staates auf dem Land und die extrem ungerechte Landverteilung.
Auch deshalb laufen dem tapferen Friedensbringer Santos die Anhänger davon, seine Umfragewerte liegen unter 20 Prozent. Er braucht dringend positive Nachrichten, und nicht selten stellt er sie dann positiver dar als sie sind. Bereits im Vorfeld der Zeremonie von Mesetas hatte er stolz verkündet: "Ab Dienstag existiert die Farc-Guerilla nicht mehr."
Da widersprechen die "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" vehement. "Mitnichten" sei dies ihr Ende, hieß es aus dem Kommandostab der Farc, die Organisation werde ihre Ziele künftig lediglich mit anderen Mittel verfolgen, nämlich als politische Partei. Ein Beispiel, wie auf dem Weg von Krieg zum Frieden um die Deutung jedes Wortes gefeilscht wird. Als künftige Bewerber um Wählerstimmen sorgen sich die Farc um ihr schlechtes Image. Sie haben eine Werbekampagne gestartet, in der sie sich als soziale Wohltäter inszenieren. Große Teile der Bevölkerung halten das für scheinheilig.