Kolumbien:Die Kolumbianer trauen dem Frieden nicht mehr

Supporters of 'No' vote celebrate after the nation voted 'No' in a referendum on a peace deal between the government and FARC rebels, in Bogota, Colombia

Eine hauchdünne Mehrheit der Kolumbianer hat sich gegen den Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen ausgesprochen. Gegner feiern in der Hauptstadt Bogota.

(Foto: REUTERS)

Präsident Santos war bereit, den Farc-Rebellen zu vergeben. Er scheiterte an den Kriegstreibern im Land und an der Apathie vieler Kolumbianer. Er sollte jetzt erst recht den Friedensnobelpreis erhalten.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Kolumbien hat gegen den Frieden gestimmt - so sieht es auf den ersten Blick aus. Der geplante Friedensvertrag mit den linksgerichteten Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) ist von einer denkbar knappen Mehrheit abgelehnt worden. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich eine Mehrheit der Kolumbianer Krieg wünscht. Nur 13 der 34,9 Millionen Berechtigten gingen zur Wahl, und nur knapp die Hälfte dieser mageren 37 Prozent stimmten gegen den Friedensschluss, den Präsident Juan Manuel Santos ausgehandelt hat und für den er den Friedensnobelpreis verdient hätte - so oder so.

Nein, die Kolumbianer sind nicht gegen den Frieden, aber sie trauen ihm offenkundig nicht - nicht mehr. Zu oft sind vergleichbare Versuche in der Vergangenheit gescheitert, so wie Ende der 1990er Jahre, als ein Abkommen mit den Farc in Blut und Gemetzel endete. Und die Farc sind nicht das einzige Hindernis für den Frieden. 2004 versprach der damalige Präsident Álvaro Uribe, er werde die rechtsgerichteten paramilitärischen Schutztruppen der Großgrundbesitzer entwaffnen. Sie sind der eigentliche Grund für die Existenz der Farc, die einst von Bauern gegründet wurde, die sich gegen Massaker und Landraub wehrten. Doch die versprochene Entwaffnung fand nur symbolhaft und nie konsequent statt. Zudem wurde Uribe, selbst ein Latifundist, immer wieder Nähe zu den Verbänden nachgesagt.

Mittlerweile sind viele Paramilitärs weitgehend zu Drogengangstern mutiert - wie im Übrigen auch große Teile der Farc, die sich mit Kokainhandel finanzieren. So lange das Drogenproblem nicht gelöst ist, wird sich also auch am kolumbianischen Konflikt nichts ändern - und auch nicht am mexikanischen oder guatemaltekischen. Längst verlangen Fachleute und Politiker, unter ihnen Präsident Santos, eine Freigabe von Drogen, um den Bossen die Einnahmen zu entziehen. Doch die Chancen darauf stehen gleich null.

Santos streckte den Farc die Hand aus, Uribe möchte sie abhacken

Die geringe Wahlbeteiligung in Kolumbien lässt angesichts dieser Hoffnungslosigkeit auch auf ein gehöriges Maß an Apathie in der Bevölkerung nach jahrzentelangen Entführungen, Erpressungen und Massakern schließen. Auch die Straferleichterung für reuige Farc-Kämpfer erschien vielen Bürgern als zu großzügig. Es gibt praktisch keine Familie in Kolumbien, die nicht in irgendeiner Weise von linker oder rechter Gewalt betroffen war.

Genau da setzte Uribe an, der nun die Kampagne gegen den Friedensvertrag anführte. Er genießt immer noch enorme Popularität im Volk, weil seine Politik der eisenharten Hand während der Nullerjahre die Guerilla zurückdrängte - und damit in den Augen vieler Kolumbianer diese Friedensverhandlungen erst möglich gemacht hat. Die Farc sind erschöpft, sonst wären sie nicht aus dem Urwald gekommen. Santos streckte ihnen die Hand aus, Uribe möchte sie abhacken. Nicht auszuschließen, dass der einstige Kriegspräsident am liebsten ins Amt zurückkehren würde, um als derjenige in die Geschichte einzugehen, der die Farc besiegt hat.

Dabei geht das eigentliche Problem fast unter: Kolumbien ist geteilt in arm und reich wie eh und je, die Besitzverhältnisse ähneln denen in europäischen Feudalzeiten des 18. Jahrhunderts. Daran hat auch ein wirtschaftlicher Aufschwung nichts ändern können, der sich auf die urbanen Zentren beschränkt. Kolumbien ist das Extrembeispiel für einen Zustand, der ganz Lateinamerika prägt, das immer noch die Weltgegend mit den schärfsten sozialen Gegensätzen ist.

Vorbei sind nun aber auch die Zeiten, in denen linke Regierungen versuchten, die der Gewalt zugrundeliegende Armut mit höheren Sozialausgaben zu lindern. Sinkende Rohstoffpreise machten ihnen einen Strich durch die Rechnung, ihre Popularität sinkt - wie in Brasilien, wo eine postkoloniale Elite derzeit alles versucht, damit die einst triumphierende Arbeiterpartei von Präsident Lula und Dilma Rousseff keine Wahlen mehr gewinnt.

Kolumbiens Präsident Santos ist wahrlich kein Linker, aber er war bereit zu Vergebung, Solidarität und Gnade um der Sache willen. Solche versöhnlichen Einstellungen sind derzeit aber nicht populär, weder in Kolumbien noch anderswo. Weltweit ist ein Trend zu beobachten, wie autoritäre und rechte Potentaten sich durchsetzen, von Brasilien über die Philippinen - bis zu den aggressiven Diskursen der Rechtspopulisten in Europa und den USA.

Gerade deswegen hätte Santos den Friedensnobelpreis nun erst recht verdient - um ihn zu ermutigen, trotz allem weiterzumachen und um der Welt zu demonstrieren, dass es für Versöhnung und Frieden keinen Ersatz gibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: