Kolonialgeschichte:Neue Sicht

Britische Kulturinstitutionen bekennen endlich Farbe.

Von Kia Vahland

Wer hat die Hoheit über die Geschichte und ihre Deutung? Niemand. Es gibt nicht eine Wahrheit, sondern verschiedene Sichtweisen; was sich durchsetzt, muss in einer offenen Gesellschaft anhand von Fakten, Dokumenten, Artefakten diskutiert werden. Aber es gibt Menschen, die professionell altes Kulturgut kuratieren und inszenieren. Dies sind Museumsmacher, Dirigentinnen, Theaterleute. Ihre Verantwortung ist es, zwischen Gegenwart und Vergangenheit klug zu vermitteln.

Deshalb ist es richtig, dass Großbritanniens Kulturinstitutionen nun auf die Bewegung "Black Lives Matter" reagieren. Das British Museum entthront einen seiner Gründungsväter, Sir Hans Sloane, der Sklaven für sich arbeiten ließ. Sloanes Statue wird vom Sockel genommen und endlich in historischem Kontext erklärt. Und die BBC wird dieses Jahr in der Show "Last Night of the Proms" trotz Regierungsprotest auf Liedtexte, nicht aber auf die Orchestermusik von Stücken verzichten, die vom herrischen alten Empire beseelt sind.

Beides sind zeitgemäße Interpretationen der Überlieferung. Diese wird nicht verdrängt, geleugnet oder "gecancelt", sondern aus historischer Distanz anders bewertet als bisher. Das bringt ihr neue Aufmerksamkeit, und die ist nötig, um zu klären, wo das Land herkommt und wo es hinwill.

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