Belarus:Demokratiebewegung geht von Entführung Kolesnikowas aus

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Die belarussische Oppositionelle Kolesnikowa wurde offenbar festgenommen. (Foto: Ulf Mauder/dpa)

Die bekannte Oppositionspolitikerin ist gemeinsam mit zwei ihrer Mitarbeiter verschwunden. Das Regime von Alexander Lukaschenko geht massiv gegen die Demonstranten vor, die dem Präsidenten Wahlbetrug vorwerfen.

Von einer der wichtigsten Anführerinnen der Opposition in Belarus, Maria Kolesnikowa, fehlt jede Spur. Der Koordinationsrat der Demokratiebewegung geht inzwischen davon aus, dass sie gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow entführt worden ist. "Der Koordinierungsrat fordert die sofortige Freilassung", hieß es.

Das Internetportal tut.by berichtete die Darstellung einer Augenzeugin, derzufolge Unbekannte am Montagmorgen Kolesnikowa in einen Minibus gesteckt und entführt haben sollen. Das wurde bislang vom Koordinierungsrat nicht bestätigt.

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"Wir können nur vermuten, aber es ist offensichtlich, dass die Behörden alles tun, um die Arbeit des Rates so weit wie möglich zu verhindern", sagte Pawel Latuschko, ehemaliger Kulturminister und derzeit hochrangiges Mitglied des Rates, der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Die 38-jährige Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen den umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko stellen. Einige Mitglieder des Gremiums waren zuvor schon festgenommen worden, ausgereist oder zur Ausreise gezwungen worden, unter anderem die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Sie war nach der Wahl ins EU-Land Litauen geflüchtet.

Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Sie ist auch im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel anstrebt. Kolesnikowa hatte viele Jahre in Stuttgart gelebt und von dort aus Kulturprojekte gemanagt. Bei der Großdemonstration am Sonntag marschierte sie in Minsk mit.

EU bereitet Strafmaßnahmen vor

Hintergrund der Proteste ist die Präsidentenwahl vor mehr als vier Wochen. Lukaschenko hatte sich danach mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik.

Die EU bereitet Insidern zufolge wegen Wahl Strafmaßnahmen gegen 31 hochrangige Regierungsmitglieder und Behörden vor. Darunter sei auch Innenminister Juri Karaew, berichtetet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf drei EU-Diplomaten. "Wir hatten uns zunächst auf 14 Namen geeinigt", sagte einer von ihnen. "Aber viele Staaten waren der Meinung, dass dies nicht ausreicht. Wir haben jetzt einen Konsens über weitere 17 erzielt."

Es handle sich um Verantwortliche für die Wahl, die Gewalt und das Vorgehen der Regierung gegen die Demonstranten. Eine formelle Einigung dürfte auf dem EU-Außenministertreffen am 21. September erzielt werden.

© SZ/Reuters/dpa/saul/jael/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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