Folge der Gaskrise:Wie private Ofenbesitzer Kohlehändler ins Schwitzen bringen

Folge der Gaskrise: "Was vom Band läuft, wird sofort ausgeliefert": Die schon zu DDR-Zeiten bekannten Briketts der Marke "Rekord" sind wieder extrem gefragt.

"Was vom Band läuft, wird sofort ausgeliefert": Die schon zu DDR-Zeiten bekannten Briketts der Marke "Rekord" sind wieder extrem gefragt.

(Foto: Petra Schneider/imago stock&people)

In Zeiten des Gasmangels decken sich Ofenbesitzer mit Kohle ein, die Produktion von Rekord-Briketts in Schwarze Pumpe läuft auf Anschlag.

Von Iris Mayer, Leipzig

Wenn sich jemand mit Kohle auskennt, dann Jürgen Enzel. Der Leipziger ist in vierter Generation Kohlenhändler, sein Brennstoffgeschäft existiert seit 116 Jahren. Auf der Firmenhomepage sieht man Schwarz-Weiß-Fotos hart arbeitender Männer mit verrußten Gesichtern. Enzel liefert Kohlebriketts im Umkreis von 80 Kilometern aus, man erreicht ihn auf der Ladefläche seines Lkws: "Ich habe keine Zeit zum Reden, ich muss die Kohle vom Laster kriegen", sagt er. Denn seit Monaten boomt der längst totgesagte Handel. Wer noch einen Kachelofen hat, der deckt sich angesichts der drohenden Gasknappheit jetzt ordentlich mit Briketts ein. "Die Leute rennen mir die Bude ein, ich habe volle Bücher bis Oktober", sagt Enzel, schippt weiter und legt auf.

Um die 70 Kohlenhändler gab es vor der Wende in Leipzig, überlebt haben eine Handvoll. Hendrik Ebert ist einer von ihnen, auch er ist gerade gut beschäftigt. Normalerweise beliefert er seine Stammkunden ab September, doch dieses Jahr ist alles anders: "Die Leute machen sich wirklich verrückt, komplette Hektik." Deswegen ordern sie im Sommer, und Ebert liefert. Dass ihm die Kohle ausgehen könnte, fürchtet er nicht. "Ich habe noch Reserven gebunkert." Ebert geht davon aus, dass sich die Lage wieder beruhigt, seine Stammkunden - um die 250 - könne er auf jeden Fall versorgen, "im schlimmsten Fall müssen die halt ein bisschen warten". Der Zentner Briketts kostet als lose Ware bei ihm um die 15 Euro, mit 60 Zentnern oder drei Tonnen komme ein Zwei-Personen-Haushalt gut durch den Winter. Im Gegensatz zu den Preissprüngen bei Gas, Öl und Holz blieb der Kohlepreis fast unverändert. 1000 Kohlekunden gibt es schätzungsweise in der 600 000-Einwohner-Stadt Leipzig.

Die Nachfrage der Endkunden übersteige das Maß der vergangenen Jahre bei Weitem, berichtet der Sächsische Brennstoff- und Mineralölhandelsverband, dies gelte nicht nur für das Kohleland Sachsen, sondern für das gesamte Bundesgebiet. Zahlen sind schwer zu bekommen, 11,3 Millionen "Einzelraumfeuerungsstätten für feste Brennstoffe" zählt der Schornsteinfegerverband, eine Unterscheidung nach Kamin-, Holz- oder Kohleöfen macht er nicht.

Vom Run auf die Kohle profitieren sie auch im Lausitzer Kraftwerk Schwarze Pumpe, dem einzig verbliebenen Brikettfabrikanten, seit der Energiekonzern RWE seine Veredelung im Rheinischen Revier eingestellt hat. "Wir produzieren, was die Anlagen hergeben", sagt Sprecher Thoralf Schirmer. 3000 Tonnen Briketts der schon zu DDR-Zeiten bekannten Marke "Rekord" laufen täglich vom Band, manchmal auch 4000. Die Nachfrage sei schon vergangenes Jahr gestiegen, als die Gaspreise anzogen, sagt Schirmer: "Wir spüren die Sorgen der Leute sehr früh hier." Im Vergleich zum Vorjahr kommt er auf 40 Prozent plus. Normalerweise wird im Sommer auf Halde produziert und für den Winter eingelagert. Doch jetzt gibt es keinen Puffer mehr: "Was vom Band läuft, wird sofort ausgeliefert." Vorrang haben auch hier Vertragspartner, Neukunden wie Baumärkte gehen im Zweifel leer aus. Kurzfristig dürfte sich das Angebot weiter verknappen, denn von nächster Woche an stehen die Brikett-Bänder in Schwarze Pumpe still. Die Anlage muss turnusmäßig gewartet werden.

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