Der frühere WDR-Journalist Heribert Schwan war Ghostwriter von Helmut Kohl; er hat, das ist zwölf Jahre her, 630 Stunden lang mit ihm geredet und die Gespräche auf Tonband aufgezeichnet - um auf dieser Basis im Namen, Auftrag und nach Vorstellungen des Ex-Kanzlers dessen Memoiren zu schreiben.
Drei Bände sind erschienen, dann zerbrach die enge Vertrauensbeziehung. In die Bände, die unter seiner Federführung verfasst wurden, sei, so Schwan, nur zehn Prozent des gesamten Materials eingeflossen. Schwan hat nun aus noch nicht veröffentlichtem Material ein Buch gemacht, das er im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und ohne Billigung seines Ex-Vertragspartners Kohls verkauft.
Kohl protestiert dagegen, dass Dritte und Vierte sich der Gedanken bemächtigen und damit Geschäfte machen, die er nur für die Vorbereitung der eigenen Memoiren formuliert hat (auch um sie dort dann gegebenenfalls wegzulassen). Er hat recht mit seiner Klage. Seine eigenen Lebenserinnerungen gehören ihm, nicht jemand anderem, schon gar nicht zur kommerziellen Verwertung.
Man schreibt Memoiren oder lässt sie nach eigenen Angaben von Dritten gegen Honorar schreiben, um so sein Bild in der Nachwelt zu prägen, um seine Person und sein Wirken nach eigenen Vorstellungen darzustellen. Schwan hat nun seine persönlichen Vorstellungen an die Stelle derjenigen von Kohl gesetzt. Er hat die Rollen des Ghostwriter-Vertrags (der auch mündlich gilt) vertauscht und sich selbst zum Herrn des Lebensbildes von Kohl gemacht. Er verstößt gegen die Pflichten des Ghostwriter-Vertrags.
Äußerungen, die nicht unbedingt ans Licht müssen
Schwan hat vor zwei Jahren das Gesprächsmaterial als einmaligen Schatz bezeichnet, den er "irgendwann heben" werde. Das hat er nun, im soeben vorgestellten Buch und unter Zuhilfenahme des Magazins Spiegel getan, welcher eine Titelgeschichte daraus verfertigt hat.
Würde es sich um einen Schatz im Sinne des Bürgerlichen Rechts handeln, hätte Schwan recht mit der Art, wie er damit umgeht: "Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist" - so lautet die gesetzliche Definition des Schatzes - "entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigentum zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war". Aber so ist es nun einmal nicht. Der Schatz war nicht verborgen, Schwan hat ihn auch nicht entdeckt. Er hat gegen Entgelt bei der Entstehung des Kohlschen Schatzes assistiert.
Der Streit ist vertragsrechtlich zu beurteilen. Kohls Vertrags-, Persönlichkeits- und übergeleitete Urheberrechte können von Schwan kaum unter Hinweis auf ein öffentliches Interesse mittels eines Buches beiseitegeräumt werden. Die dort publizierten Kohl-Äußerungen (die man gehässig finden mag) sind nicht von so grundstürzender Art, dass man sagen müsste: "Das muss unbedingt ans Licht." Auch eine Person der Zeitgeschichte hat ein Recht auf Loyalität ihres Vertragspartners.