Süddeutsche Zeitung

Kölner Silvesternacht:Beamter: Köln hatte an Silvester kein Sicherheitskonzept

  • Die Ämter und Polizeibehörden hätten sich dem Leiter des Kölner Ordnungsamts zufolge lediglich am 9. November mit einer "Vorbesprechung Brückensperrung" auf die Silvesternacht vorbereitet.
  • Er beschreibt ein Kommunikationsversagen zwischen seinem Amt und der Bahn, der Landes- sowie der Bundespolizei.
  • Deren Mitarbeiter bewachten zwar Orte, die direkt an die Rheinbrücken grenzen, um die sich das Ordnungsamt kümmerte, sie sprachen sich aber währenddessen kaum ab.

Von Kristiana Ludwig, Düsseldorf

Mehr als 1100 Anzeigen zählt die Kölner Staatsanwaltschaft nach der Silvesternacht, fast die Hälfte davon auch aufgrund von Sexualdelikten. Im Gebäude des Hauptbahnhofs und auf dem Vorplatz hatten Männer ein Gedränge genutzt, um gemeinsam Frauen zu belästigen und zu bestehlen. Ein Untersuchungsausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag soll jetzt klären, weshalb an diesem Abend nicht genug Polizisten vor Ort waren, um die Frauen zu schützen, wie sich die gefährliche Menschenmenge überhaupt bilden konnte - und warum die Polizei am nächsten Morgen mitteilte: "Ausgelassene Stimmung - Feiern weitgehend friedlich".

Der Leiter des Kölner Ordnungsamts, Jörg Breetzmann, lieferte am Montag eine erste Erklärung. Als Zeuge im Ausschuss sagte er, die Stadt habe für die Neujahrsnacht gar kein Sicherheitskonzept entwickelt. Die Ämter und Polizeibehörden hätten sich lediglich am 9. November mit einer "Vorbesprechung Brückensperrung" auf die Silvesternacht vorbereitet. Schließlich habe es an Silvester anders als bei Großereignissen keinen Veranstalter gegeben. Mittlerweile habe man "erkannt, dass es da scheinbar eine Lücke gegeben hat", sagte Breetzmann.

Kommunikationsversagen zwischen Amt, Bahn und Polizei

Ob diese Lücke letztlich zu den massiven Übergriffen führte, ist jedoch auch nach Breetzmanns Aussage noch nicht klar. Er beschreibt vielmehr ein Kommunikationsversagen zwischen seinem Amt und der Bahn, der Landes- sowie der Bundespolizei. Deren Mitarbeiter bewachten zwar Orte, die direkt an die Rheinbrücken grenzen, um die sich das Ordnungsamt kümmerte. Sie sprachen sich aber währenddessen kaum ab. Breetzmann sagte, seine Mitarbeiter hätten Funkgeräte bei sich getragen, um auch dann noch kommunizieren zu können, wenn um Mitternacht Tausende Neujahrsgrüße das Mobilfunknetz belasten. Den Beamten der Landespolizei habe man am Abend eines dieser Funkgeräte in die Hand gedrückt. Die Bundespolizei bekam allerdings keines.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte zwei Wochen nach den Geschehnissen der Stadt Köln eine Mitschuld an den Ereignissen gegeben. In der Vorbesprechung habe die Bundespolizei Breetzmanns Ordnungsamt darum gebeten, die Hohenzollernbrücke abzuriegeln. "Die Stadt Köln hatte im Vorfeld eine solche Sperrung für den Fußgängerverkehr nicht genehmigt", sagte Jäger im Landtag. In der Nacht seien die Menschen dann allerdings auf die Schienen geklettert und hätten auf der Brücke den Zugverkehr eine Stunde lang blockiert. So seien nicht nur Hunderte Reisende im Bahnhof stecken geblieben. Auch Bundespolizisten, die eigentlich im Hauptbahnhof für Sicherheit sorgen sollten, hätten stattdessen auf der Brücke Menschen von den Gleisen holen müssen.

Zurückgetretene Polizeisprecherin äußert sich

Ordnungsamtsleiter Breetzmann bestritt diese Darstellung im Ausschuss. Von der Stadt habe es nie ein solches Verbot gegeben. Vielmehr seien seine Mitarbeiter darauf vorbereitet gewesen, "im Bedarfsfall" die Brücke mit Zäunen abzusperren. Dafür habe er gleich so viele Mitarbeiter an dieser Stelle beschäftigt, dass er für den Rest von Köln kein Personal mehr gehabt habe, sagte er. Zusätzlich seien 44 Angestellte eines privaten Sicherheitsunternehmens engagiert gewesen - 27 mehr als im Vorjahr. Von der Gleissperrung, die um kurz vor 24 Uhr begann, hätten die Ordnungshüter nichts mitbekommen. Erst gegen 1 Uhr morgens habe eine Polizistin die Einsatzleiterin informiert. Also riegelte das Ordnungsamt den Fußweg über den Rhein ab, kontrollierte, ob Menschen über das Gleisbett liefen, und öffnete die Brücke nach zehn Minuten wieder. Es sei alles ruhig gewesen.

Als zweite Zeugin befragten die Ausschussmitglieder die frühere Pressesprecherin der Polizei Köln. Sie war nach Silvester zurückgetreten. Die schleppende Information der Öffentlichkeit begründete sie damit, dass auch sie selbst erst nach und nach von der Lage erfahren habe. Als die positive Pressemitteilung am Neujahrsmorgen entstand, seien der Leitstelle erst drei Sexualdelikte bekannt gewesen, sagte Martina Kaiser. Nachdem im Laufe des Tages eine größere Zahl von Straftaten bekannt wurde, habe man auf eine Korrektur verzichtet, weil der Sachstand noch zu unklar gewesen sei. Erst Tage später trat sie vor die Presse.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2016/bepe
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