In keiner anderen deutschen Großstadt hat es in den vergangenen Jahren so viele Skandale gegeben wie in Köln. Der Kölsche Klüngel, das Geflecht aus Beziehungen zwischen lokaler Politik und Wirtschaft, hat inzwischen bundesweit traurige Berühmtheit erlangt.
Nicht der erste Skandal: Pfusch und Klüngelei beim Kölner U-Bahn-Bau überraschen nur wenige - sie scheinen vielmehr typisch für die Stadt.
(Foto: Foto: ddp)Dass beim Bau der U-Bahn quer durch die Stadt gepfuscht und betrogen wurde, überrascht nur diejenigen, die sich für die Domstadt lediglich zur Karnevalszeit interessieren. Für alle anderen ist der Fall typisch für Köln: Bauarbeiter verscherbeln Eisenbügel an Schrotthändler, anstatt sie in Betonwände einzusetzen. Deshalb müssen nun mehrere Baugruben in der Innenstadt aufwendig gesichert werden.
Dass Köln mit italienischen Städten, in denen die Mafia den Ton angibt, verglichen wird - das hätte sich der frühere Oberbürgermeister Konrad Adenauer wohl kaum vorstellen können. Und doch stammt vom Altkanzler die einprägsamste Definition für Kölschen Klüngel: "Wir kennen uns, wir helfen uns."
Viele Jahrzehnte störte sich kaum jemand daran, wenn im "Vorfeld von Entscheidungen Schwierigkeiten ausgeräumt wurden", wie der langjährige Oberbürgermeister Norbert Burger (SPD) die Klüngelei einmal beschrieb. Wenn der krumme Weg kürzer ist als der gerade, dann wird er in Köln eingeschlagen. Und zwar ohne schlechtes Gewissen.
Wer dann doch mal eines hat, geht zur Beichte. Hin und wieder tanzte allerdings jemand aus der Reihe: Der Soziologe Erwin K. Scheuch prangerte Anfang der neunziger Jahre in Köln "Zustände wie bei der Mafia" an. Er wurde als Nestbeschmutzer beschimpft.
"Echte Fründe ston zesamme", singt die Kölner Band De Höhner und bringt die Säle im Karneval zum Schunkeln. Wer sich nicht unterhakt, der gilt als Spaßbremse und wird ausgegrenzt.
Als Scheuch 2002 unter dem Titel "Ganz unter uns" die "Vielfalt der Kölner Eigenart" beschreiben wollte, da machte der Verlag kurz vor der Veröffentlichung einen Rückzieher. Immerhin ist es dem 2003 verstorbenen Scheuch und einigen wenigen anderen Kritikern der Kölner Zustände zu verdanken, dass die Klüngler nicht mehr ganz so ungestört wie früher agieren können.
Vor allem der Skandal um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage im Stadtteil Niehl im Jahr 2000 zeigte, dass die "echten Fründe" nur ein Ziel verfolgten: Dicke Pfründe zum eigenen Vorteil, aber zum Nachteil der Allgemeinheit verteilen.
Einen tiefen Einblick in das Geflecht von Gefälligkeiten und Abhängigkeiten gewährte im März 2002 der damalige SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Norbert Rüther. Er ließ der Staatsanwaltschaft eine Liste mit Namen von Leuten zukommen, die der SPD gespendet hatten. Die vermeintlich noblen Spender handelten kaum aus karitativen Motiven.
In erster Linie ging es ihnen um Aufträge für den Bau der mehr als 400 Millionen Euro teuren Müllverbrennungsanlage (MVA). Rüther kassierte und sorgte im Stadtrat dafür, dass die entsprechenden Mehrheiten für die in der Bevölkerung umstrittene Anlage zustande kamen.