Städte und Mobilität:Ein wenig Venedig

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In Düsseldorf und Köln könnten bald Wasserbusse eingesetzt werden. Wie am Canal Grande also? Fast.

Von Gerhard Matzig

Beim Wort "Venedig" muss Mirja Cordes als verkehrspolitische Sprecherin der Grünen in Düsseldorf dann doch lachen. Und beim Wort "Utopie" reagiert auch Markus Friedrich, Mobilitätsforscher und Inhaber des Lehrstuhls für Verkehrsplanung an der Universität Stuttgart, mit Heiterkeit am Telefon. Zusammengefasst: Nein, die Städte am Rhein werden wohl nicht so bald wie Venedig aussehen. Aber andererseits ist der Plan, Wasserbusse in Köln und Düsseldorf einzusetzen, um die dramatische Mobilitätskrise dort zu bewältigen, weniger utopisch als gedacht.

Friedrich sagt: "Denken Sie nicht an das malerische Vaporetto auf dem Canal Grande, sondern an Busse des öffentlichen Verkehrs, wie man sie hierzulande aus allen Städten kennt - und dann denken Sie sich noch die Räder weg und den Bus schwimmend im Rhein: Das ist keine Utopie, sondern realistisch." Auch in Dubai, New York, Rotterdam und Hamburg sind sie schon im Einsatz. Für Cordes gehört die Idee von Wasserbussen am Rhein zum "Puzzle" der Verkehrswende insgesamt. "Wenn so etwas beiträgt zur Lösung der Probleme", sagt sie, "kann es ein kleiner Teil vom größeren Ganzen sein."

Auf die Canal-Grande-Reinkarnation des Rheins muss man also noch warten, aber von den für Düsseldorf und Köln in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudien liegen seit Februar erste hoffnungsfrohe Zwischenergebnisse vor. Ein Team, dem auch die Infrastruktur-Beraterfirma Rebel aus Düsseldorf angehört, kann sich für Köln ein Wasserbussystem vorstellen. Das habe "Potenzial". Bis Mai sollen weitere Details zu möglichen Liniennetzen bekannt gegeben werden. Für Düsseldorf kann sich Cordes den Rhein-Wasserbus für Pendler oder als Verbindung zwischen Medienhafen und Innenstadt vorstellen. "Es wäre verrückt, die Wasserwege der Städte nicht besser zu nutzen."

Ist das Auto eine "vorübergehende Erscheinung"?

Die Geschichte lehrt jedenfalls, dass Verkehrsutopien sehr schnell zum Zukunftsmodell werden können. So waren auch die Pferdetrambahn in München oder die Berliner U-Bahn einst Ideen, die sich anhörten, als hätte sie sich der Futurist Jules Verne ausgedacht. Der Verkehrskollaps, der in etlichen Kommunen Deutschlands messbare Realität und kein apokalyptisches Geraune der Grünen ist, hängt damit zusammen, dass das spätmoderne Leitbild der autogerechten Stadt noch immer maßgeblich die Infrastruktur der Städte beherrscht. Dieses System ist aber an sein fast tragisches Ende gekommen. Dauerstau und Dauerstress sind die Folgen. Es ist ein Akt der Befreiung, über Alternativen nachzudenken.

In La Paz und Medellín überbrücken Seilbahnen ganze Stadtgebiete. Ähnliche Pläne gibt es für Köln. Airbus arbeitet am Flugtaxi. In München haben sich Studenten sogar mal ein Zeppelin-Netz für die Stadt ausgedacht. Klingt erst mal seltsam, aber auch der Wasserbus in Venedig entstand schließlich aus einer ersten, irren Idee. Für München beurteilt der Mobilitätsexperte Friedrich die Möglichkeit vom Wasser-ÖPNV leider skeptisch. "Die Isar ist einfach zu mickrig." Na gut. Das umstrittene, nicht belegte Zitat, das dennoch meist Wilhelm II. zugeschrieben wird, bewahrheitet sich für die Innenstadt womöglich so oder so: "Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung."

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