Köhler-Nachfolge:Christian Wulff - Merkels Jüngling

Christian Wulff soll Bundespräsident werden. Mit diesem Zug entscheidet Kanzlerin Angela Merkel noch etwas anderes: Wer ihre Kronprinzessin sein soll.

Kurt Kister

Nun also soll Christian Wulff Bundespräsident werden. Das klingt für viele Menschen, die sich schon etwas länger mit der Politik beschäftigen, zunächst ein wenig sonderbar. Ist Wulff nicht dieser ewig junge Mann, von dem man den Eindruck hat, er sei schon als JU-Mitglied auf die Welt gekommen und habe in Niedersachsen den prägenden Teil seiner frühen Karriere damit verbracht, Wahlen gegen Gerhard Schröder zu verlieren? Und dann, als Sigmar Gabriel kam, gegen den man leichter gewinnen kann, wurde Wulff jener Ministerpräsident, der erfolgreich so viele Positionen vertrat, dass Freund und Feind ihn kaum stellen konnten. Er ist ein freundlicher Mann, der damit kokettiert, dass ihm der unbedingte Wille zur Macht fehle.

Vorstellung von Christian Wulff fuer das Bundespraesidentenamt

Der Kanzlerin und der vermutliche neue Präsident: Angela Merkel und Christian Wulff.

(Foto: ag.ddp)

Wulff ist der klassische Berufspolitiker, Abteilung CDU, den das gegnerische Lager schon allein deswegen nicht mitwählen würde - zumal da ein Teil dieses Lagers von Gabriel geführt wird. Angesichts der allerjüngsten Erfahrungen mit Horst Köhler war es klar, dass Merkel und die Ihren keinen Außenseiter für das Amt benennen würden. Als Außenseiter wurde in dieser Situation jeder empfunden, von dem die schwarz-gelbe Koalition Unbill oder später gar Widerrede hätte befürchten müssen.

Bei Wulff ist dies wohl nicht der Fall. Er wird nach seiner Wahl genug damit zu tun haben, sich gravitas zu erarbeiten, eine Ernsthaftigkeit, die Würde ermöglicht. Die erwartet man vom Bundespräsidenten. Wolfgang Schäuble, notabene, hätte die gehabt. Immerhin, sagt einer aus der Regierungszentrale, könne Wulff schon gravitätisch schreiten. Na dann.

Weil es eben doch um einen erfahrenen Parteipolitiker ging, ist die Nominierung Wulffs nicht so überraschend wie es manchem auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Kanzlerin hat Wulff zuerst gefragt, und hätte er abgesagt, wäre sie wohl an Schäuble herangetreten.

Ein Präsident, von dem sich viele nicht vertreten fühlen werden

Schäuble und bis zu einem gewissen Grad auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, der selbst vielen in der CDU allerdings zu eitel ist, waren konventionelle Kandidaten: gebildete, nachdenkliche ältere Männer, deren politische Biografien einen Teil der Geschichte der Bundesrepublik verkörpern. Es gibt nicht mehr viele Politiker dieser Statur. Merkel (und übrigens auch Westerwelle) sind bereit, mit solchen Konventionen zu brechen.

Deswegen standen zwei Anfangsfünfziger, Wulff und Ursula von der Leyen, in der engsten Wahl. Es darf allerdings nicht überraschen, dass sich viele Deutsche, seien es Ältere, seien es solche aus dem Osten, von einem Bundespräsidenten Wulff, den man wohl in vielerlei Hinsicht stets für "jünger" halten wird als er ist, nicht so recht vertreten fühlen. Bei einem Ministerpräsidenten ist diese Art der Identifikation nicht so wichtig wie beim Bundespräsidenten, dem Staatsoberhaupt aller Deutschen.

Die Ministerin, auf die Merkel nicht verzichten will

An eine Öffnung für Leute von außen wurde nie ernsthaft gedacht. Angesichts der schweren Krankheit, welche die schwarz-gelbe Regierung befallen hat, war den Spitzen dieser Regierung Großzügigkeit bei der Kandidatenselektion nicht möglich. Die Bundespräsidenten-Wahl wird von Schwarz-Gelb als ein entscheidender Test der Funktionsfähigkeit der Koalition gesehen. Deswegen die schnelle Nominierung, deswegen die parteiische Auswahl. Am 30. Juni steht im Reichstag nicht nur Christian Wulff zur Wahl, sondern es steht auch die Zukunft der Regierung auf dem Spiel. Die Koalition muss zeigen, dass sie wichtige Entscheidungen noch durchsetzen kann.

Joachim Gauck, der von SPD und Grünen nominiert wird, wäre in einer anderen Situation unter stabileren politischen Umständen ein Mann, der viel Rückhalt auch in Union und FDP, wenn auch nicht in der Linkspartei, finden könnte. Er verkörpert jenes größere, komplizierte Deutschland, in dem wir seit 1990 leben, allemal besser als ein jüngerer Ministerpräsident aus dem Westen.

Das Verkörpern ist eine Frage der Lebensführung und der Lebenserfahrung, es schafft im besten Falle Identifikation. Sicher, ein Bundespräsident muss auch repräsentieren, aber Respekt, Anerkennung oder gar Beliebtheit wird er gewinnen, wenn sich viele Menschen mit ihm identifizieren können, weil er, pathetisch gesprochen, etwas von dem verkörpert, was Deutschland ausmacht. Christian Wulff kann repräsentieren, aber es ist nicht klar, was er verkörpert.

Merkel hat sie politisch allesamt überlebt

Die Ministerin Ursula von der Leyen wollte Merkel nicht ziehen lassen. Sie ist ihr zu wichtig im Kabinett und auch sonst. (Anders übrigens als der Ministerpräsident Wulff.) Merkel wird nun nach dem Rückzug von Roland Koch und der Himmelfahrt Wulffs auch die Parteispitze umbauen müssen. Die Ära der grau gewordenen CDU-Nachwuchsmänner Wulff, Koch, Oettinger etc. ist unter Mithilfe Merkels zu Ende gegangen.

Angela Merkel hat sie politisch allesamt überlebt - und dies ist kein Zufall. Sie formt die Partei, mal bewusst, mal eher aus Versehen, nach ihrem Bilde, was auch zur Folge hat, dass man nicht immer so ganz genau weiß, wo die CDU gerade mit wem steht. Und Angela Merkel, die Königin der entschiedenen Unentschiedenheit, ist immerhin gerade dabei, ihren zweiten Bundespräsidenten zu machen: nach Horst Köhler nun Christian Wulff.

Und dennoch hat die Operation Bundespräsident auch gezeigt, wer nun als Kronprinz, nein: als Kronprinzessin der Königin Angela zu gelten hat. Ursula von der Leyen ist es, die Frau, die als Politikerin zu wichtig ist, als dass sie Bundespräsidentin hätte werden sollen.

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