Köhler-Nachfolge:Nach der Fehlbesetzung jetzt ein Überflieger

Für den neuen Bundespräsidenten wird es nicht reichen, nur besser zu sein als Köhler. Es wird ein Staatsoberhaupt gesucht, das mehrere Anforderungen erfüllt. Gleichzeitig sind diese kaum zu erfüllen.

Thorsten Denkler, Berlin

Jetzt, sechs Jahre nach seiner Wahl, ist eines klar: Horst Köhler war eine Fehlbesetzung. Auserkoren wurde er 2004 von CDU-Chefin Angela Merkel und FDP-Parteichef Guido Westerwelle als Zeichen für einen politischen Richtungswechsel in Deutschland, als Vorbote einer schwarz-gelben Bundesregierung. Die Menschen sollten an Köhler erkennen, dass es Zeit sei für eine bürgerliche Regierung. Schon das hat nicht geklappt. Nach seiner Wahl kam nicht Schwarz-Gelb, sondern Schwarz-Rot. Er ist nicht mal seiner eigenen Ankündigung treu geblieben, ein unbequemer Präsident sein zu wollen. Köhler kämpfte mit rhetorisch stumpfen Schwertern. Und jetzt der Rücktritt zur Unzeit und ohne hinreichenden Grund. So einen wie Köhler will keiner noch mal. Sonst würde es nach so einem Abgang ja heißen, eigentlich egal, wer es jetzt wird. Jeder würde es besser machen als er. Doch so einfach ist es nicht. Die Anforderungen sind gewachsen. Und das hat viel mit der Lage der Koalition zu tun.

Schwarz-Gelb steckt tief in einer Identitätskrise, in Umfragen liegt sie mit 37 Prozent Zustimmung auf einem Rekordtief. Dazu kommen die Finanz-, die Wirtschaft-, die Eurokrise, der Sparzwang, die explodierenden Gesundheitskosten und noch einige Baustellen mehr. Zu viele Probleme also, um das höchste Staatsamt jetzt mit einem x-beliebigen Kandidaten zu besetzen nach dem Motto: Freiwillige vor. Die Person muss ein nahezu unmögliches Anforderungsprofil erfüllen.

Anforderung 1: Mit ihr muss sich ein klares Zeichen pro Schwarz-Gelb setzen lassen. Es darf kein Zweifel aufkommen: Der neue Bundespräsident darf nicht als Projektionsfläche für eventuelle Auflösungstendenzen des angeblich bürgerlichen Bündnisses in Berlin dienen können. Seine (oder ihre) Benennung muss einem Paukenschlag gleichkommen, der den Rücktritt Köhlers noch übertönt. Der neue Präsident muss stramm auf Kurs von Union und FDP sein. In der FDP gilt schon die Vorgabe, dass sich bis zur Kreisvorsitzenden-Ebene hinab jeder mit ihm identifizieren können muss. Da es höchstwahrscheinlich mangels Personal niemanden aus der FDP treffen wird, bleiben aber nur Christdemokraten. Konflikt mit Anforderung 2 und 4

Anforderung 2: Der Kandidat muss zugleich Präsident aller Deutschen sein können. Am schönsten wäre es für die Kanzlerin, einen Kandidaten zu präsentieren, bei dem auch SPD und Grüne nicht Nein sagen können. So einen wie den einstigen Umweltminister und Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen etwa: Klaus Töpfer. Nur so könnte Merkel es schaffen, den Rücktritt Köhlers unbeschädigt zu überstehen. Einen Kandidaten zu finden, der lediglich die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung und der Regierungskoalition repräsentiert, ist nur die Pflichtübung, bei deren Erfüllung sie keine Bonuspunkte aus der Bevölkerung erwarten darf. Konflikt mit Anforderung 1

Anforderung 3: Der Kandidat muss aus der aktiven Politik kommen. So zumindest hat es Unions-Fraktionschef Volker Kauder formuliert. Die Botschaft: Das Risiko, nach Köhler einen weiteren Polit-Außenseiter zu nominieren, wird so schnell keiner mehr eingehen. Damit wird der Kreis möglicher Kandidaten stark verkleinert. Er wird zu suchen sein unter den Bundesministern, herausragenden Bundestagsmitgliedern und den Ministerpräsidenten. Das Risiko: Aktive Politiker werden eher nicht als überparteilich wahrgenommen. Ideal wäre ein altersweiser und parteiübergreifend angesehener Ministerpräsident, der eine schwarz-gelbe Regierung führt. Ein konservativ-bürgerlicher Johannes Rau also. Das Problem: So einen gibt es derzeit nicht. Die Suche wird sich nach Lage der Dinge auf das Bundeskabinett konzentrieren. Dort sitzen aber von Unionsseite noch viele, die ihre beste Zeit bisher in der großen Koalition verbracht haben, denen es also ohne FDP besser ging. Konflikt mit Anforderung 2

Anforderung 4: Der Kandidat muss nicht, aber sollte möglichst eine Frau sein. Selbst wenn SPD und Grüne sie ablehnten, sie wäre zumindest ein sichtbares Zeichen für einen Neuanfang der schwarz-gelben Koalition. Eine Frau wie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen würde SPD und Grüne zudem erheblich unter Druck setzen. Sie wird aktuell als Favoritin gehandelt. Als Familienministerin hat sie mit ihrer progressiven Familienpolitik im besten Sinne sozialdemokratische Politik gemacht. Es ist ausgeschlossen, dass sich die SPD-Kandidatin der Bundespräsidentenwahlen 2004 und 2009 Gesine Schwan erneut in eine aussichtslose Kandidatur begibt. Und dass Margot Käßmann, die zurückgetretene, aber beliebte Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, für eine Kandidatur bereitstünde, ist eher ein Hirngespinst einiger aufgekratzter Sozialdemokraten. Einer Frau jedoch einen Mann gegenüberzustellen, das kann sich das linke Lager nicht leisten. Von der Leyen hätte aber zumindest Schwierigkeiten, bei den ganz Konservativen aus CDU und CSU Unterstützung zu bekommen. Konflikt mit Anforderung 1 und 2

Diese vier Faktoren zusammengenommen bleibt zu sagen: Es gibt derzeit keinen in der politischen Klasse, der alle Anforderungen erfüllt. Egal also, wer nominiert wird, er oder sie wird ein Kompromisskandidat sein. Genau das aber kann sich Merkel eigentlich nicht leisten.

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