Süddeutsche Zeitung

Koch und Rüttgers:Leiser Abgang

Der eine hat es sich so ausgesucht, der andere wäre sehr gern länger geblieben: Roland Koch und Jürgen Rüttgers verabschieden sich aus dem Bundesrat - und zwar ungewohnt unauffällig.

Dominik Stawski

Genau 77 Punkte stehen auf der Tagesordnung des Bundesrats an diesem Freitag. Selten ist sie so lang. Es ist die letzte Sitzung vor der Sommerpause und wegen des Machtwechsels in Nordrhein-Westfalen wohl auch die letzte Sitzung mit einer schwarz-gelben Mehrheit. Deswegen die lange Tagesordnung, und deswegen auch die vielen Blicke auf Jürgen Rüttgers und Roland Koch, denn auch für sie beide ist es ein letztes Mal. Zwei, die zu den Schwergewichten unter den Ministerpräsidenten zählen, gehen.

Der eine, der hessische Ministerpräsident Roland Koch, hat es sich so ausgesucht, weil er lieber in die Wirtschaft will; der andere, Jürgen Rüttgers, wäre sehr gern länger geblieben, aber das wollten die Wähler in Nordrhein-Westfalen nicht.

Als es an diesem Freitag um die Reform der Jobcenter geht, hält Koch seine letzte Rede. Zu seinem Abschied sagt er, dass er mit "außerordentlicher Freude" im Bundesrat agiert habe, auch wenn das Gremium ihm manchmal "etwas leise" gewesen sei. Koch selbst war es, der bei der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz im März 2002 polterte wie kein anderer.

Damals schlug er auf den Tisch, nachdem der damalige Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) ein geteiltes Votum des Landes Brandenburg als Ja-Stimme wertete.

Koch schrie: "Sie manipulieren eine Entscheidung des Bundesrates!" Und nach Wowereits Ermahnung sagte er: "Nein, ich mäßige mich nicht." Vielleicht meint der heutige Bundesratspräsident Jens Böhrnsen (SPD) auch diesen Auftritt, als er Koch am Freitag für sein "leidenschaftliches Engagement" dankt.

Jürgen Rüttgers dagegen geht ohne letzte Worte. Um 10.43 Uhr, der Bundesrat diskutiert gerade das Bafög, verlässt er den Saal. Die Unterlagen auf dem Tisch vor sich lässt er liegen.

Armin Laschet, der nordrhein-westfälische Integrationsminister, der rechts neben ihm sitzt und in dem viele die Zukunft der Union in NRW sehen, schaut kurz auf. Er nickt, dann rutscht er rüber auf den Sessel von Rüttgers. Das war's.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2010/pfau
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