Koaltion einigt sich bei der Gesundheitsreform:Den Murks verschlimmert

Die Einigung der Koalition bei der Gesundheitsreform ist nicht vor allem für die Lobbyisten ein Erfolg. Die Versicherten bleiben auf der Strecke.

Ein Kommentar von Andreas Hoffmann

Murks lässt sich nicht steigern. Das denkt der normale Bürger. Doch die Koalition beweist bei der Gesundheitsreform gerade das Gegenteil. In Vielem war das Vorhaben verfehlt, bevor die Fachleute in dieser Woche erneut verhandelt haben.

Gesundheitsreform: Mehrkosten für Patienten, dpa

Die Einigung der bei der Gesundheitsreform bedeutet für die Versicherten oft Mehrkosten.

(Foto: Foto: dpa)

Lobbyarbeit hat sich durchgesetzt

Doch was sie nun als Durchbruch feiern, ist ein Sieg für die Lobbys - nicht für die Patienten. Die Ärzte dürfen auf mehr Milliarden hoffen, dafür startet die Honorarreform, die das Geld gerechter verteilt hätte, erst im nächsten Jahrzehnt.

Zudem können die Mediziner den Patienten leichter zur Kasse bitten und zur Kostenerstattung drängen. Dann bezahlt der Bürger erst den Doktor und kämpft nachher mit der Kasse ums Geld.

Auch andere Lobbygruppen haben Union und SPD gut bedient. Die Apotheker müssen weniger sparen als geplant, und Ähnliches gilt vermutlich auch für die Kliniken.

Zurücklehnen können sich die privaten Krankenversicherer, ihr Lobbywirken trug Früchte. Der Umbau der Branche ist auf 2009 verschoben und ein möglicher Wettbewerb befristet. Wer heute privat versichert ist, darf 2009 nur innerhalb eines halben Jahres zu einem anderen Anbieter wechseln und seine angesparten Rückstellungen mitnehmen. Danach fällt der Wettbewerb weg. Es ist, als würde man in einem stickigen Zimmer kurz die Fenster öffnen, um dann weiter muffige Luft zu atmen.

Im Ringen um die Reform hat sich vor allem die Union durchgesetzt. Von den SPD-Ideen einer Bürgerversicherung ist wenig geblieben. Die Privatversicherer müssen sich nicht an der Finanzbasis der Kassen beteiligen, statt mehr Steuergeld erhalten AOK, Barmer und andere weniger.

Doppelt zur Kasse gebeten

Dafür gibt es das Unionskonzept der Kopfpauschale in Mini-Form: Wenn in Zukunft der Gesundheitsfonds startet, zahlen viele Bürger doppelt, neben dem herkömmlichen Kassenbeitrag sollen sie einen Zusatzbeitrag überweisen. Doch diese kleine Kopfpauschale wird schnell groß werden, weil die Gesundheitskosten rasant steigen.

Belasten wird diese sogenannte Reform besonders Rentner und Studenten. Sie zahlen den Kassen immer mehr, profitieren aber nicht von dem niedrigeren Arbeitslosenbeitrag. Ein toller Erfolg für die SPD, die sich als Schutzmacht der Schwachen sieht.

Die Niederlage der Genossen ist deshalb bemerkenswert, weil die SPD eine tatkräftige Ministerin stellt. Ulla Schmidt ist schlau und durchsetzungsfähig, hat gute Berater um sich, sie ist krisengestählt und wegen ihrer Tricks gefürchtet.

All dies hat ihr wenig genutzt, um das System sinnvoll zu ändern. Am Schluss ging es nicht um Inhalte, es ging ums Überleben - für Ulla Schmidt, Angela Merkel und die Regierung. Die Koalition wollte zeigen, dass sie handlungsfähig ist, und so musste der Streit beendet werden - egal, wie das Ergebnis aussieht.

Den Schaden haben die Bürger, weil sie mit dem Werk leben müssen. Ihr Frust wird steigen und spätestens seit diesem Freitag hat die Koalition ein neues Synonym für Politikverdrossenheit geschaffen: Es heißt Gesundheitsreform.

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