Koalitionsvertrag:Worüber die Koalition bei der Frauenquote streitet

Frauenquoten-Gesetz

Halten sie in Sachen Frauenquote dem Druck der Union Stand?: Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas

(Foto: dpa)

Was heißt es, wenn die Ziele bei der Geschlechterquote "nicht nachträglich nach unten berichtigt" werden dürfen? Darüber debattieren Union und SPD - und berufen sich doch alle auf den Koalitionsvertrag. Was steht da drin?

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Frauenquote, die eigentlich eine Geschlechterquote ist, soll für Chancengleichheit in der Arbeitswelt sorgen. Die Union kritisiert den Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas (beide SPD). Das Thema wird an diesem Dienstag den Koalitionsausschuss beschäftigen. Sieben Fragen und Antworten zur Quote.

Wozu ein Gleichstellungsgesetz?

Das Gleichstellungsgesetz soll Frauen und Männern gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ermöglichen. Trotz jahrelanger Appelle ist sie nicht realisiert. In den 200 größten Unternehmen Deutschlands stieg der Anteil weiblicher Aufsichtsräte nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2013 zwar um zwei Prozentpunkte auf gut 15 Prozent, bleibt insgesamt aber gering. In Vorständen stagnierte der Frauenanteil bei vier Prozent, im Finanzsektor sank er zuletzt. Im öffentlichen Dienst stellen Frauen die meisten Beschäftigten, aber nur ein gutes Viertel der Führungskräfte.

Wie will die Bundesregierung in Konzernen für Chancengleichheit sorgen?

CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, "zu Beginn" der Legislaturperiode eine gesetzliche Geschlechterquote einzuführen. Sie soll dafür sorgen, dass in Führungsgremien das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht mehr Einfluss gewinnt - in der Regel sind das Frauen. "Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden, sollen eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent aufweisen", heißt es im Koalitionsvertrag. Die Bundesregierung werde "eine Regelung erarbeiten", wonach "Stühle frei bleiben", wenn das unterrepräsentierte Geschlecht nicht ausreichend vertreten ist. Die feste Quote gilt nur für gut 100 Großunternehmen. Europäisch vernetzte Konzerne wie BASF, Allianz oder Porsche sind von der Regel befreit, da für sie Europarecht gilt.

Was gilt für mittelgroße Unternehmen?

3500 Betriebe will die Koalition verpflichten, den Frauenanteil in selbst bestimmtem Tempo zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Wir werden börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen gesetzlich verpflichten, ab 2015 verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und in den obersten Management-Ebenen festzulegen und zu veröffentlichen und hierüber transparent zu berichten." Ob ein Betrieb sein selbst gesetztes Ziel erreicht, wird dokumentiert. Bei Nicht-Erreichen aber gibt es keine Sanktion.

Was bedeutet Nicht-Verschlechterung?

Den 3500 Unternehmen, die ihr Quotenziel selbst bestimmen, droht kein "leerer Stuhl", wenn die Quote nicht stimmt. Der Koalitionsvertrag legt aber fest, dass Quotenziele "nicht nachträglich nach unten berichtigt" werden dürfen. Darüber streiten Union und SPD. Im Bundesfamilien- und Justizministerium versteht man den Passus so, dass der bereits erreichte Frauenanteil nicht unterschritten werden darf. Verlassen Frauen ein Gremium, müssen Frauen nachrücken, wenn auch nicht auf den gleichen Posten. Hat ein Betrieb schon 30 Prozent weibliche Spitzenkräfte oder mehr, dürfen es laut Gesetzentwurf nicht mehr weniger als 30 Prozent werden.

Unions-Bedenken gegen Frauenquote

Was ist die Kritik der Union?

Die Union will kein Gesetz, das über den Koalitionsvertrag hinausgeht. Umstritten ist, ob das der Fall ist. Bei der festen Quote wünscht die Union Ausnahmen für "Härtefälle". In der Baubranche etwa sei der Frauenanteil gering. Auch bräuchten kleinere Firmen Flexibilität. Unionsfraktionschef Volker Kauder warnt vor "ausufernder Bürokratie". Gemeint ist die Pflicht einer Firma, sich alle drei Jahre Quotenziele zu setzen und darüber zu berichten. Die Union will Fristen von vier bis fünf Jahren. Auch das Gebot der Nicht-Verschlechterung will man lockern. Müsse eine Firma jeden Spitzenposten, der einmal mit einer Frau besetzt sei, wieder mit Frauen besetzen, werde sie zögern, Frauen überhaupt Führungsposten zu überlassen. Auch sei eine Zielgröße von 30 Prozent bei der freiwilligen Quote nicht im Koalitionsvertrag vereinbart.

Warum hat die CSU verfassungsrechtliche Bedenken?

Artikel 3 des Grundgesetzes, der den Staat verpflichtet, für Chancengleichheit der Geschlechter zu sorgen, wird verletzt, fürchtet die CSU, wenn ein gewählter Aufsichtsrat seinen Stuhl wieder räumen muss. Hier werde ein Mann wegen seines Geschlechtes benachteiligt. Die SPD hält dem entgegen, kein Stuhl müsse geräumt werden. Durch Aufstellung von Listen wie in der Politik könne die Quote schon im Vorfeld abgesichert werden. Die CSU warnt aber auch vor einer Verletzung der Eigentumsfreiheit, wenn Anteilseigner nicht frei über Aufsichtsräte entscheiden könnten.

Warum wird auch über die Quote im öffentlichen Dienst gestritten? Die Gleichstellungsbeauftragten des Bundes lehnen die Gesetzesnovelle für den öffentlichen Dienst rundweg ab. Sie bedeute einen Rückschritt. Bislang liege das Quotenziel im öffentlichen Dienst bei 50 Prozent, gefördert würden Frauen. Das neue Gesetz peile 30 Prozent an und gelte für beide Geschlechter. Strukturelle Benachteiligung von Männern aber gebe es nicht. Auch könnten regelwidrige Personalentscheidungen nicht rückgängig gemacht werden.

Milliardenfragen

Außer der Quote geht es im Koalitionsausschuss an diesem Dienstag voraussichtlich darum, wie künftig die Unterbringung und Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen finanziert werden sollen. Eine wichtige Frage ist, wie die Lasten zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt werden. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte am Montag angekündigt, er werde dafür werben, für Versorgung und Unterbringung bis zu eine Milliarde Euro bereitzustellen. Auch das zehn Milliarden Euro umfassende Investitionsprogramm der Bundesregierung wird den Ausschuss voraussichtlich beschäftigen. Anfang November hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Zusatzausgaben angekündigt, von 2016 an sollen sie auf die Haushaltsjahre bis 2018 verteilt werden - wofür das Geld genutzt werden soll, muss die Koalition noch aushandeln. AFP, SZ

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