Christdemokraten:Schulnoten für den Koalitionsvertrag

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Das Verhältnis von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner und CDU-Chef Friedrich Merz (re.) war schon mal besser. (Foto: Christoph Soeder/DPA)

Anders als die SPD will die CDU-Spitze eine Befragung ihrer Mitglieder zum Koalitionsvertrag unbedingt vermeiden. Ein Landesverband hat allerdings längst damit angefangen.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Wenn jetzt die SPD ihre Mitglieder in Bezug auf den Koalitionsvertrag befragt, wird sie nicht die einzige Partei sein, die das tut. Allerdings eher im Verborgenen werden auch 7000 CDU-Mitglieder um eine Einschätzung der Abmachung mit den Sozialdemokraten gebeten.

Bereits seit vergangenem Donnerstag läuft die Umfrage, gestartet ist sie also einen Tag, nachdem CDU und SPD ihre Vereinbarung nach zähem Verhandeln präsentiert hatten. Und dass, obwohl sich die CDU-Spitze mehrfach klar gegen eine Befragung ihrer Mitglieder ausgesprochen hatte.

An der Parteibasis zeichnet sich eine rege Beteiligung ab

Doch die CDU in Berlin wollte sich offenbar nicht an das Vorgehen der Bundespartei halten. Gut die Hälfte der 12 500 Mitglieder im Berliner Landesverband können nun zu der in der CDU kontrovers diskutierten Koalitionsvereinbarung mit der SPD per E-Mail Stellung nehmen. „Es zeichnet sich eine rege Beteiligung ab“, sagt Dirk Reitze, Landesgeschäftsführer der CDU. Noch bis zum kommenden Donnerstag kann abgestimmt werden, dann sollen die Ergebnisse zusammengefasst und präsentiert werden. Die Bundes-CDU will zu dem Alleingang der Berliner Parteifreunde keine Stellung nehmen. „Wir äußern uns dazu nicht“, heißt es auf Anfrage.

Die Fragen an die Berliner Christdemokraten reichen von der ganz grundsätzlichen Einschätzung eines Bündnisses von CDU und SPD („Wie ist Ihre Haltung dazu?“) bis zum Sinn der Gründung eines Nationalen Sicherheitsrats. Insgesamt zwölf Themenfelder werden so abgeklopft, Mindestlohn, Bürgergeld, Deutschlandticket und die Vereinbarungen der künftigen Koalitionspartner zur Migrationspolitik. Am Ende können die Mitglieder noch Schulnoten für den vorliegenden Koalitionsvertrag vergeben.

Obwohl die Befragung bereits seit vergangenem Donnerstag läuft, wurde sie erst Tage später durch einen Bericht der Bild-Zeitung publik. „Wir wollen das nicht so hoch hängen, weil es nicht so hoch hängt“, sagt Landesgeschäftsführer Reitze. Die CDU Berlin würde ihre Mitglieder regelmäßig zu unterschiedlichsten Themen befragen, von der Europa- bis zur Sicherheitspolitik.

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Der Alleingang der Berliner kommt für Merz zur Unzeit

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner selbst habe das Instrument vor zehn Jahren noch als Generalsekretär eingeführt, meint Reitze. „Für uns ist das vor allem ein Instrument zur Mitgliederbindung.“ Das Ergebnis solle keinen Einfluss auf ein mögliches Bündnis von CDU und SPD auf der Bundesebene haben. Reitze: „Wir fragen nicht nach der Zustimmung oder Ablehnung des Koalitionsvertrages.“

Der Alleingang der Berliner kommt für CDU-Parteichef Friedrich Merz dennoch zur Unzeit. Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen sorgt für Unruhe an der Parteibasis. Hinzu kommt, dass ausgerechnet der Berliner Verband ausschert. Das Verhältnis von Friedrich Merz und Kai Wegner gilt seit geraumer Zeit als angespannt.

Beide kennen sich seit Jahren aus dem Bundestag, Wegner gehörte lange zu den stärksten Unterstützern von Merz. Als der sich 2020 zum zweiten Mal um den Vorsitz der Bundes-CDU bewarb, sagte Wegner noch, er sehe „eine ganz klare Stimmungslage“ für Merz. Doch zwei Jahre später kursierte das Gerücht, Merz wolle Kai Wegner mitten im Wahlkampf durch Jens Spahn als Spitzenkandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters austauschen. Wegner setzte sich durch und gewann die Wiederholungswahl im Februar 2023 in Berlin mit einem Erdrutschsieg.

Seitdem lässt Wegner kaum eine Chance aus, seinen Parteivorsitzenden zu kritisieren. Als Merz sich im Sommer 2023 für eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene aussprach, hielt Wegner als einer der Ersten in der CDU dagegen. Als Regierender Bürgermeister sprach er sich regelmäßig dafür aus, die Vorschriften der Schuldenbremse aufzuweichen. Merz reagierte darauf als Verfechter der Schuldenregel im Bundestag mit den Worten: „Die Entscheidungen werden im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin.“ In der Umfrage der Berliner CDU dürfen die Mitglieder nun auch über den Sinn der Schuldenbremse urteilen. Es ist gleich die erste der zwölf Fragen.

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