Ampelkoalition:SPD, Grüne und FDP kündigen eine Milliarde Euro Bonus für Pflegekräfte an

(L-R) Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Robert Habeck, Norbert-Walter Borjans und Saskia Esken bei der

"Mehr Fortschritt wagen" steht über dem Koalitionsvertrag. Klingt nach Willy Brandt und Aufbruch, weniger nach Krise und Virus.

(Foto: imago images/Emmanuele Contini)

Vizekanzler Habeck, Außenministerin Baerbock, Finanzminister Lindner: Wie die neue Ampel-Regierung aussehen soll und was sie inhaltlich plant.

Von Oliver Klasen

SPD, Grüne und FDP haben ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Nach wochenlangen Verhandlungen, aus denen nur sehr wenig an die Öffentlichkeit drang, steht das Papier, das das neue Bündnis begründen soll, nun also. Auf einer Pressekonferenz in Berlin stellen die Spitzen der Parteien es vor.

Olaf Scholz, der designierte Bundeskanzler, begann sein Statement mit einigen Bemerkungen zur Corona-Krise. "Die Lage ist ernst. Die Intensivstationen geraten an ihre Belastungsgrenze", sagte Scholz. Die neue Regierung werde einen Corona-Krisenstab aufbauen und eine tägliche Runde im Kanzleramt einberufen, in der Experten aus Virologie, Epidemiologie, Psychologie und Soziologie über die aktuelle Lage beraten. Eine Milliarde Euro soll für einen Bonus an die Pflegekräfte bereitgestellt werden. "Die neue Bundesregierung wird alles Erforderliche tun, um unser Land gut durch die Pandemie zu bringen", sagte Scholz.

Die neue Regierung werde "ein Bündnis aus drei Parteien auf Augenhöhe" sein. "Uns eint der Wille, das Land besser zu machen. Es geht uns nicht um eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern um eine Politik der großen Wirkung", sagte Scholz.

"Mehr Fortschritt wagen", so ist das 178 Seiten lange Papier überschrieben, eine Anleihe an die Regierungserklärung von Willy Brandt im Jahr 1969, dessen Losung "Mehr Demokratie wagen" war.

Was die Besetzung des Kabinetts angeht, gibt es einige erwartbare Personalien, aber auch einige Überraschungen. Die SPD stellt neben Kanzler Olaf Scholz sieben weitere Ministerinnen und Minister, den Grünen werden fünf Ressorts zugeteilt, der FDP vier.

Habeck wird Vizekanzler, Lindner Finanzminister mit besonderen Befugnissen

Finanzminister wird Christian Lindner und nicht Robert Habeck. Beide hatten das Amt für sich reklamiert, aber die Grünen gaben am Ende nach und ließen sich das durch eine Art Superministerium für Wirtschaft und Klima bezahlen, das die Energiewende organisieren soll. Habeck wird es leiten, außerdem wird er Vizekanzler. Lindner fungiert in der Regierung als "Minister mit besonderen Befugnissen".

Grünen-Chefin Annalena Baerbock gehört der neuen Regierung als Außenministerin an. Das Verkehrsministerium geht überraschend nicht an die Grünen, sondern an die FDP. Minister wird Volker Wissing, der bisher Generalsekretär seiner Partei war, den Bundestagswahlkampf leitete und gemeinsam mit Lindner Chefverhandler in den Ampel-Gesprächen war.

Kanzleramtsminister wird Wolfgang Schmidt (SPD), der Scholz schon fast dessen gesamte politische Karriere lang begleitet. Schmidt war bereits Scholz' Büroleiter, als der von 2002 bis 2005 SPD-Generalsekretär war. Später folgte er Scholz ins Bundesarbeitsministerium und nach Hamburg, in den vergangenen drei Jahren war Schmidt, der bisher einer breiten Öffentlichkeit unbekannt ist, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Von den Inhalten her erhält der Koalitionsvertrag einige beriets bekannte und erwartbare Punkte, die bereits im Sondierungspapier genannt sind. So will die Ampel den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen und eine Kindergrundsicherung einführen. Die Schuldenbremse greift - nachdem die Pandemie überstanden ist - spätestens 2023 wieder.

Die erneuerbaren Energien sollen massiv ausgebaut werden, so dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Die Planung neuer Windräder und anderer für die Energiewende nötige Infrastruktur soll beschleunigt werden.

Die gesetzliche Rente soll durch eine Aktienrente ergänzt werden, Rentenkürzungen und die Anhebung des Renteneintrittsalters sind dagegen ausgeschlossen. Außerdem will die künftige Regierung die Mietpreisbremse verschärfen: In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu elf Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent. Pro Jahr sollen in Deutschland 400 000 neue Wohnungen gebaut werden, darunter sollen ein Viertel öffentlich gefördert sein.

Die Ampel-Koalition will außerdem mehr legale Fluchtmöglichkeiten nach Deutschland schaffen. Über ein humanitäres Aufnahmeprogramm des Bundes soll beispielsweise Menschen aus Afghanistan geholfen werden. Die Bundeswehr darf zum Schutz von Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen bewaffnete Drohnen anschaffen.

Zudem soll das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft werden. "Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB", heißt es im Koalitionsvertrag. Der Paragraf führte in der Vergangenheit zu Verurteilungen von Ärztinnen und Ärzten, die aus ihrer Sicht sachlich auf der Internetseite ihrer Praxis darüber informiert hatten, dass sie Abtreibungen durchführen und welche Methoden sie anwenden.

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