Koalitionsvertrag:Gewerkschafter im Glück

Einigung Koalitionsvertrag - Mindestlohn

Demo vor dem Bundeskanzleramt: Laut Koalitionsvertrag soll der gesetzliche Mindestlohn nun 2015 kommen.

(Foto: dpa)

DGB-Chef Michael Sommer spricht von "Bundeskanzlerdeutsch" - inhaltliche Kritik übt er nicht: Arbeitnehmervertreter zeigen sich weitgehend zufrieden mit dem Koalitionsvertrag. Kleine Gewerkschaften allerdings stört ein Punkt heftig.

Von Detlef Esslinger

Die Gewerkschaften haben vieles erhalten von dem, was sie wollten, und jetzt ist es der DGB-Vorsitzende, der liefert. "Ein großes Stück vorangekommen", "ausgesprochen positiv", "anfangs kaum für möglich gehalten" - das sind Worte, die Michael Sommer am Mittwochnachmittag wählt.

Der Mann ist SPD-Mitglied, und auch vier der acht Vorsitzenden von DGB-Gewerkschaften gehören der Partei an. Sie werden jetzt von Sigmar Gabriel gebraucht. Sie sollen in den nächsten Tagen erklären, wie viel der SPD-Chef in den Verhandlungen für Arbeitnehmer erreicht habe. Und damit auch Eindruck auf skeptische Sozialdemokraten machen.

Es wäre ja auch geradezu seltsam, wenn die DGB-Gewerkschafter nach solch einem Koalitionsvertrag jammern oder auch nur schweigen würden. DGB-Chef-Sommer lästert am Mittwoch noch einmal kurz über die SPD von vor zehn Jahren, über Schröder und Clement (aber auch über Kohl und Blüm). Doch die Kanzlerin Merkel muss sich in der Innenpolitik schon sehr anstrengen, damit Sommer sich über sie mokiert. "Phasing-in" hat sie in den Koalitionsverhandlungen die Übergangsregelung genannt, die es beim Mindestlohn bis Ende 2016 geben soll. "Bundeskanzlerdeutsch", sagt Sommer dazu; inhaltliche Kritik daran äußert er nicht.

Auch andere Gewerkschafter waren bereit, dem SPD-Vorsitzenden zu liefern. Michael Vassiliadis, Chef der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und Sozialdemokrat, sagt, der Koalitionsvertrag fasse "pragmatisch das Mögliche zusammen". Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), sagt der SZ, man müsse sich doch vor Augen führen, was denn die Alternative gewesen wäre. Schwarz-Grün? Der Fraktionschef der Grünen, Toni Hofreiter, habe die Rentenpläne doch bereits zu teuer genannt. Als Sozialdemokrat, der er auch ist (aber wirklich nur als solcher, um Himmels willen nicht als Chef der Einheitsgewerkschaft EVG), erklärt Kirchner: "Ich werde zustimmen."

Ein Thema gibt es, zu dem äußert sich der DGB am Mittwoch nur zurückhaltend - deutlich aber werden der Beamtenbund sowie Gewerkschaften, die weder diesem Dachverband noch dem des DGB angehören. Der Koalitionsvertrag sieht auch ein Gesetz über die "Tarifeinheit" vor. Dessen Inhalt soll sein, dass pro Betrieb nur noch ein Tarifvertrag gelten soll. In der Praxis würde das bedeuten, dass Berufsgewerkschaften wie der Marburger Bund oder die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) den Tarifvertrag übernehmen müssen, den Verdi für alle Krankenhäuser oder die EVG für den Bahnkonzern abgeschlossen haben. Ärzte- und Lokführerstreiks wären nicht mehr möglich.

Sommer belässt es bei einem Halbsatz dazu. Der Chef des Beamtenbunds, Klaus Dauderstädt, hingegen protestiert heftig. Eine solche Regelung würde die Gewerkschaften seines Dachverbands "massiv infrage stellen". Die GDL gehört zum Beamtenbund. Er kündigt einen Gang zum Bundesverfassungsgericht an. Sein Kollege Rudolf Henke, der Chef des Marburger Bunds, richtet seine Hoffnungen zunächst nicht auf Karlsruhe, sondern auf Berlin. Er hoffe, dass sich im Bundestag noch Einsicht "durchsetzen" werde.

Die Regelung kam auf Betreiben der Arbeitgeber zustande; der DGB erkannte die Chance, ein Monopol im Arbeitnehmerlager zu bekommen, und widersetzte sich nicht groß. Jetzt darf Henke zeigen, ob er Einfluss auf die Unionsfraktion hat. Als Wahlkreis-Abgeordneter aus Aachen gehört er ihr an.

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