Koalitionsvertrag gebilligt:Die kleine Zocker-Koalition

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Drei Freunde sollten sie sein, vereint im bürgerlichen Geiste. Doch in der Bundespressekonferenz hocken nur drei, die sich gegenseitig listig belauern.

Thorsten Denkler, Berlin

Ob sich die drei da oben wirklich so mögen? Sie versuchen jedenfalls den Eindruck zu vermitteln. "Seit 2:15 Uhr sagen wir Horst und Guido zueinander", sagt Guido Westerwelle, lächelt breit, dass die Zähne blitzen und wendet sich an seinen Nachbarn zur Rechten, Horst Seehofer. Der lächelt dann mit, wenn das auch eher gequält wirkt. "Erst die Arbeit, dann das Spiel", gibt Seehofer trocken zurück. Westerwelle kontert noch breiter lächelnd: "Das wird der Beginn einer ganz großen Freundschaft."

An der Art und Weise, wie Seehofer in dem Moment die Mundwinkel verzieht, ist unschwer zu erkennen: Das stimmt ganz sicher nicht. Merkel schaut da lieber gleich in eine ganz andere Richtung.

Mehr geduldet als wirklich erwünscht

Auf dem Podium der Bundespressekonferenz sitzen nicht drei Freunde, die sich lange gesucht und dann endlich gefunden haben. Da sitzen drei knallharte Machtpolitiker, die schlicht deshalb zusammen regieren müssen, weil es möglich ist. Die Koalitionsverhandlungen scheinen sie da einander nicht wirklich näher gebracht zu haben.

Die Rollen sind klar verteilt. Merkel will weiterhin moderieren, Westerwelle modernisieren, Seehofer vor allem aufpassen, dass die soziale Balance stimmt und für Bayern was rausspringt. Das Betreuungsgeld zum Beispiel für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen.

Für Merkel ändert sich im neuen Kräftediagramm wenig. Die FDP ist für sie auch nichts anderes als vorher die SPD. Ein mehr geduldeter als wirklich erwünschter Koalitionspartner.

Das dürfte auch Seehofer so sehen. Er erweckt sogar zuweilen den Eindruck, dass dies aus seiner Sicht sowohl für die FDP als auch für die CDU gelte. Seehofer spricht zwar von großen Gemeinsamkeiten. Tatsächlich aber macht er deutlich: Er hat nicht vor, die CSU zum Anhängsel von CDU und FDP verkommen zu lassen.

Die CSU werde die Regierung "wie immer" ganz tatkräftig unterstützen, sagt Seehofer. Jedoch auf eine Art, die im Saal der Bundespressekonferenz für allgemeine Erheiterung sorgt. Merkel weiß, was das bedeutet. "Da ist nun die Freude wieder ganz auf meiner Seite", schnoddert sie zurück. Ein Liebespaar wird aus Merkel und Seehofer in diesem Leben nicht mehr.

Ein Gorilla-Junges zwischen zwei Silberrücken

Westerwelle, der wegen der Stärke der FDP in der Mitte sitzen darf, hockt derweil zwischen Merkel und Seehofer wie ein ADS-gestörtes, halbstarkes Gorilla-Junges zwischen zwei ausgewachsenen Silberrücken. Er kann kaum stillhalten. Wenn er anfängt zu reden, ist er kaum zu stoppen. Mehrfach versucht die Leiterin der Bundespressekonferenz vergeblich, Journalisten das Wort zu erteilen, weil Westerwelle erst "wenn Sie erlauben" dringend noch etwas hinzufügen muss.

Seehofer macht es sich dann immer etwas bequemer, beugt sich vor, stützt das Kinn mit der linken Hand ab, liegt fast auf dem Pult. Die Finger graben sich dabei tief in die Backe. Es scheint, als verlasse sein Geist in diesen Momenten seinen Körper, um ein wenig in der Gegend herumzuschweben.

Der Eindruck täuscht allerdings: Auf die Frage, warum es eine neue Kommission brauche, um die nächste Gesundheitsreform vorzubereiten, wo doch die CDU bereits mit der Herzog-Kommission unter Rot-Grün schon erheblich vorgearbeitet habe, will auch Westerwelle mit einer seiner berühmten "Wenn Sie erlauben"-Hinzufügungen etwas hinzufügen: "Im Übrigen würde die Kommission einer Partei nicht ersetzen, dass die Regierung zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt."

Beim Thema Geldausgeben herrscht Einigkeit

Da horcht offenbar auch Seehofer auf, ohne aber Hand und Kinn voneinander zu trennen oder auch nur eine Miene zu verziehen. Er brummt ein einziges Wort: "Richtig!" Mit einem besonders bayerisch gerolltem R und einem ziemlich großen Ausrufezeichen dahinter. Es klingt eher wie Drohung denn Bestätigung und ist wohl auch so gemeint.

Sie werden sich in den kommenden vier Jahren belauern, die drei Partner der schwarz-gelben Koalition. Immerhin: Einig sind sich die Drei darin, möglichst schnell möglichst viel Geld auszugeben. Zusammen 45 Milliarden Euro sollen allein im Jahr 2010 an die Bürger fließen. Die sollen, sagt Merkel, nicht über höhere Steuern und Abgaben die Lasten einer Krise bezahlen müssen, die sie nicht zu verantworten hätten.

"Wir übernehmen die Kosten", sagt Merkel. Fragt sich, wer das "wir" am Ende ist. Eine Kollegin fragt nach, die Schulden müssten am Ende doch alle bezahlen. Antwort: Wachstum generieren. Da sprechen Merkel, Seehofer und Westerwelle eine gemeinsame Sprache. Wachstum generieren durch Entlastung der Bürger. Die einfache Rechnung: Dann sprudeln auch die Steuereinnahmen wieder, weshalb es keine Gegenfinanzierungskonzept brauche. Die neue Koalition setzt auf Selbstfinanzierung.

"Mutig", nennt Merkel den Schritt. Experten würden ihn eher als fahrlässig bezeichnen. Wirtschaftswissenschaftler aller Couleur wollen nicht so recht an Selbstfinanzierungseffekte dieser Größenordnung glauben. Die schwarz-gelbe Koalition will also zocken. Wenn es klappt, hat sie alles gewonnen. Wenn nicht, dann kann sie sehr schnell alles verlieren. Vielleicht bleibt dann Schwarz-Gelb nur eine kurze Episode.

Die FDP hat dem Koalitionsvertrag einstimmig gebilligt. Die CDU-Spitze hat dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit zugestimmt. Bei einer Gegenstimme votierte der Vorstand am Samstag in Berlin für den Vertrag.

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