Koalitionsvertrag:Das zweite Finale

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Wie geht es weiter, wenn ein Koalitionsergebnis steht? Im Bild (von links) die SPD-Politiker Andrea Nahles, Karl Lauterbach, Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Martin Schulz. (Foto: dpa)
  • Sollten sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigen, ginge bei den Sozialdemokraten die eigentliche Auseinandersetzung erst los.
  • Anhänger und Gegner einer Neuauflage der großen Koalition bringen sich bereits in Stellung.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Während in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD das Finale naht, laufen bei den Sozialdemokraten längst die Vorbereitungen für die Tage und Wochen danach. Sollten sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen, begänne bei den Genossen die eigentliche, finale Auseinandersetzung: Die SPD-Mitglieder stimmen dann über den Koalitionsvertrag und damit über das Zustandekommen einer großen Koalition ab. Der Abstimmung dürfte ein hartes Ringen um die Mehrheit vorausgehen. Bereits jetzt versuchen Befürworter und Gegner, sich die beste Ausgangsposition zu sichern.

Ursprünglich hatten Union und SPD das Ziel ausgegeben, mit den Koalitionsverhandlungen an diesem Sonntag fertig zu werden - allerdings immer mit der Möglichkeit, am Montag und Dienstag noch weiter zu verhandeln, falls es notwendig sein sollte. Am Freitagnachmittag war unklar, wie lange es noch dauern würde. SPD-Chef Martin Schulz mahnte "Sorgfalt vor Schnelligkeit" an und betonte: "Wir stehen unter keinem Zeitdruck."

Neue Zahlen: Das Politbarometer sieht die SPD mit 19 Prozent im Rekordtief, auch die Union erreicht nur noch 31 Prozent. Quelle: Forschungsgruppe Wahlen (Foto: dpa)

Im Fall einer Einigung will er mit SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil durch die Republik touren und um die Zustimmung der Mitglieder werben. Von sieben Regionalkonferenzen ist im Willy-Brandt-Haus die Rede. Und am Ende wird abgestimmt - wie schon Ende 2013, als die SPD-Mitglieder mit deutlicher Mehrheit für den Koalitionsvertrag stimmten. Wieder wird Deutschland auf die SPD warten.

Allerdings bahnt sich bereits jetzt, bevor überhaupt ein Vertrag steht, eine Auseinandersetzung über das Verfahren an. Die Gegner einer großen Koalition befürchten, von der Parteispitze mit ihrer geballten Organisationskraft an den Rand gedrängt zu werden - und verweisen auf den Beschluss des Parteitags in Bonn vor zwei Wochen.

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SPD-Mitglieder fordern "besondere Fairness"

Die Delegierten hatten den Weg für Koalitionsverhandlungen freigemacht, allerdings zugleich beschlossen, dass der Weg zur Abstimmung "von besonderer Fairness" geprägt sein müsse. Der Parteivorstand müsse sicherstellen, "dass im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, und vor allem auch im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen, die diskursive Bandbreite der Debatte abgebildet wird".

Im Lager der Groko-Gegner wird das so übersetzt: Es dürfe nicht sein, dass sich Schulz und die anderen Befürworter aus der Parteispitze bei den Regionalkonferenzen allein auf die Bühne stellten und ihre Sicht der Dinge verträten.

Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis fordert daher in einem Brief an Parteichef Schulz und Generalsekretär Klingbeil, dass bei den zentralen Veranstaltungen auch solche Redner auftreten sollten, "die gegen eine Große Koalition argumentieren". Zudem sollten "bei den Anschreiben an die Mitglieder auch unsere Argumente gegen eine erneute Große Koalition mit verschickt werden". Schließlich wolle man jedem Mitglied die Möglichkeit geben, "sich selbst eine Meinung zu bilden", so der Brief, den neben Mattheis auch ein Vertreter der "NoGroko"-Bewegung unterzeichnet hat.

Mattheis spielt zwar unter den Parteilinken in der Führung von Partei und Fraktion keine Rolle, nimmt aber als Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 für sich in Anspruch, einen guten Teil der Basis-Linken zu vertreten.

Mattheis sieht sich "gewappnet" für Anti-Groko-Kampagne

Im Willy-Brandt-Haus allerdings dürfte sie mit ihren Forderungen kaum Gehör finden. Für die Veranstaltungen sei vorgesehen, dass Schulz ins Thema einführe und kurz die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte eines Koalitionsvertrags vorstelle, heißt es in Kreisen der Parteispitze. Danach hätten alle Anwesenden die Chance, sich an der Diskussion zu beteiligen - und selbstverständlich seien alle Mitglieder zu den Veranstaltungen eingeladen.

Entsprechend kontrovers könnte manche Debatte ablaufen. Für den Fall, dass die Parteispitze nicht auf ihre Forderungen eingeht, kündigt die Parteilinke Mattheis jedenfalls schon mal an, die Mitgliedschaft vor Ort besonders kräftig zu mobilisieren, damit die sich in den Veranstaltungen rege zu Wort melde. "Wir sind gewappnet für eine Kampagne", sagt sie.

Das sind auch die Jusos, deren Vorsitzender Kevin Kühnert in den vergangenen Wochen zu einem Wortführer der Groko-Gegner geworden ist. Auch Kühnert wird in den nächsten Wochen auf Tour gehen - er sagt, dass ihm Einladungen quer durch die Bundesländer vorlägen, "sowohl von den Jusos als auch von SPD-Gliederungen". Er werde, sagt Kühnert, "alles möglich machen, was terminlich zu schaffen ist".

Weil er weiß, dass die Jusos der Parteispitze strukturell unterlegen sind, hofft er auf einen "Schneeballeffekt", wie er es nennt: "Wir werden unseren 75 000 Mitgliedern unsere Argumente und unsere Analyse des Koalitionsvertrags an die Hand geben, damit sie die in die Partei tragen und vor Ort weiterverbreiten", sagt Kühnert. "Das ist unsere einzige Möglichkeit, eine gewisse Waffengleichheit herzustellen."

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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