BundesregierungUnion und SPD stellen schwarz-roten Koalitionsvertrag vor

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Der Koalitionsvertrag steht, die Ministerien sind verteilt: Die Spitzen von Union und SPD treten am Mittwochnachmittag in Berlin vor die Kameras, um sechs Wochen nach der Bundestagswahl die Ergebnisse ihrer Verhandlungen vorzustellen.
Der Koalitionsvertrag steht, die Ministerien sind verteilt: Die Spitzen von Union und SPD treten am Mittwochnachmittag in Berlin vor die Kameras, um sechs Wochen nach der Bundestagswahl die Ergebnisse ihrer Verhandlungen vorzustellen. (Foto: Fabrizio Bensch/REUTERS)

Friedrich Merz spricht von einem Zeichen, dass die politische Mitte in der Lage sei, die Probleme des Landes zu lösen. SPD-Chef Lars Klingbeil sagt, es gehe „nicht darum, alles zu ändern, aber es geht darum, das Richtige zu ändern.“

Von Georg Ismar und Robert Roßmann, Berlin

CDU-Chef Friedrich Merz ist auf seinem Weg ins Kanzleramt am Mittwoch einen großen Schritt vorangekommen. Die Verhandler von CDU, CSU und SPD konnten sich nach wochenlangen Gesprächen auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigen. In den drei Parteien wird nun damit gerechnet, dass der Bundestag Merz Anfang Mai zum Kanzler wählt.

Der Koalitionsvertrag trägt den Titel: "Verantwortung für Deutschland". Merz sagte bei der Vorstellung im Foyer eines Bundestagsgebäudes, der Vertrag sei ein starkes Signal. Er zeige, dass die politische Mitte in der Lage sei, die Probleme des Landes zu lösen. Und dass sich Europa auf Deutschland verlassen könne. Bei den Verhandlungen sei ein gutes persönliches Vertrauensverhältnis entstanden. Das stimme ihn zuversichtlich, "dass wir gut regieren". Merz betonte vor allem die Änderungen in der Migrations- und der Wirtschaftspolitik sowie bei der inneren Sicherheit. Union und SPD wollen zum Beispiel Telekommunikationsanbieter dazu verpflichten, IP-Adressen für mögliche Ermittlungen drei Monate lang zu speichern.

CSU-Chef Markus Söder sagte: "Es ist vollbracht, das war ein dickes Brett, das es zu bohren galt." Angesichts "der sehr konfrontativen Situation in unserem Land" sei das nicht leicht gewesen. Aber was jetzt vorliege, könne "man nicht nur gut vertreten - es ist eine Antwort auf die Probleme unserer Zeit". Friedrich Merz werde "ein starker Bundeskanzler".

Es gehe „nicht darum, alles zu ändern, aber es geht darum, das Richtige zu ändern", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. Wichtig seien die Stärkung der Wirtschaft, weniger Bürokratie, das Senken der Energiepreise und Milliardeninvestitionen in Infrastruktur. „Die Bagger müssen arbeiten und die Faxgeräte in unserem Land müssen entsorgt werden.“ Auch Klingbeil betonte, dass Vertrauen zu Merz und Söder gewachsen sei. Es gehe jetzt darum, Brücken zu bauen, aufeinander zuzugehen, und das über Parteigrenzen hinweg.

Allerdings musste die SPD Zugeständnisse beim Thema Migration machen. So soll es zum Beispiel die sogenannte Turboeinbürgerung nach drei Jahren künftig nicht mehr geben. Und der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus wird ausgesetzt. Klingbeil betonte im Gegenzug aber: „Das Grundrecht auf Asyl bleibt unantastbar.“

Künftig wird es mehr Ministerien geben

SPD-Chefin Saskia Esken kündigte außerdem an, man wolle „gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen erreichen". Dazu werde eine Kommission eingesetzt, die SPD werde „da hinterher sein“. Zudem werde das Deutschlandticket erhalten bleiben und für  junge Leute solle eine WG-Garantie mit einem Kostendeckel eingeführt werden. Auch werde die Mietpreisbremse verlängert sowie das Rentenniveau bei 48 Prozent über die Legislaturperiode hinaus festgeschrieben.

In der CDU muss der Koalitionsvertrag noch von einem Bundesausschuss gebilligt werden, er soll am 28. April stattfinden. In der SPD wird es ein Mitgliedervotum dazu geben. In der CSU entscheidet der Parteivorstand.

CDU-Chef Friedrich Merz und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags im Paul-Löbe-Haus.
CDU-Chef Friedrich Merz und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags im Paul-Löbe-Haus. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die drei Parteien haben sich aber bereits auf den Zuschnitt und die Verteilung der Ministerien verständigt. Die CDU wird neben dem Außen-, dem Wirtschafts-, dem Gesundheits- und dem Verkehrsressort auch ein Ministerium für Bildung und Familie sowie ein neu eingerichtetes für Digitales und Staatsmodernisierung führen dürfen. Außerdem wird sie den Kanzleramtsminister stellen. Die Sozialdemokraten werden neben dem Finanz-, dem Verteidigungs- und dem Justizressort auch die Ministerien für Arbeit und Soziales, für Wohnen und Bauwesen, für Entwicklung sowie für Umwelt, Klima und Verbraucherschutz besetzen. An die CSU fallen neben dem Innenministerium auch die beiden Ressorts für Forschung, Technologie und Raumfahrt sowie für Landwirtschaft und Heimat.

SPD und CSU haben bei der Verteilung der Ministerien damit besser abgeschnitten als es ihrem Wahlergebnis nach zu erwarten gewesen wäre. In der CDU wurde aber darauf verwiesen, dass man dafür den Kanzler stellen werde. Und dass es in vielen Koalitionsregierungen so gewesen sei, dass die stärkste Partei Abstriche gemacht habe. "Natürlich ist das ein Kompromiss", gestand Merz auf Nachfrage ein.

Wer die Ressorts führen soll, wurde am Mittwoch aber noch nicht mitgeteilt. Klingbeil und Esken wollten noch nicht einmal mitteilen, ob sie selbst ins Kabinett eintreten werden. Esken sagte, die SPD-Mitglieder sollten sich jetzt erst einmal mit den Inhalten beschäftigen können "und nicht mit den Köpfen".

Durch die Einrichtung des Digitalministeriums steigt die Zahl der Ressorts, obwohl die Union eine Verschlankung der Regierung versprochen hatte. Söder verwies darauf, dass dafür aber zum Beispiel die Zahl der Beauftragten der Bundesregierung deutlich sinken werde. Allerdings steigt auch die Zahl der Staatsminister. Merz rechtfertigte das unter anderem damit, dass es jetzt endlich einen Staatsminister für Sport und Ehrenamt im Kanzleramt geben werde – das sei der Union sehr wichtig gewesen.

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Nach nur 45 Tagen steht sie, die kleinste große Koalition, die das Land je gesehen hat. Trump ließ ihnen ja nichts anderes übrig. Da wäre jetzt nur ein Problem: Während die SPD viel rausgeholt hat, wird Merz seinen Leuten noch manches erklären müssen.

SZ PlusVon Daniel Brössler, Georg Ismar, Henrike Roßbach, Robert Roßmann

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