Koalitionsverhandlungen:Von Helden und Dienern

Bei der Suche nach dem neuen Kabinett gibt es viele Kandidaten, einige Favoriten und sehr wenige Gewissheiten. Drei Szenarien sind denkbar.

Stefan Braun und Peter Blechschmidt

Das Wochenende soll den Inhalten gehören. Bis Sonntagabend wollen Union und FDP in großen und kleinen Runden ihren Koalitionsvertrag aushandeln. Doch parallel wird an allen Ecken der Hauptstadt längst übers Personal geredet. Dass dabei die Indianer laut über alle möglichen Kandidaten für das neue Kabinett spekulieren, versteht sich von selbst.

Koalitionsverhandlungen: Gruppenbild mit Dame: Angela Merkel in Berlin. Sie wird eingerahmt von nicht ganz unwichtigen Teilnehmern der Koalitionsverhandlungen wie (von links) dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, FDP-Chef Guido Westerwelle, dem bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) und FDP-Parteivize Andreas Pinkwart.

Gruppenbild mit Dame: Angela Merkel in Berlin. Sie wird eingerahmt von nicht ganz unwichtigen Teilnehmern der Koalitionsverhandlungen wie (von links) dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, FDP-Chef Guido Westerwelle, dem bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) und FDP-Parteivize Andreas Pinkwart.

(Foto: Foto: dpa)

Die Häuptlinge dagegen, also die drei Parteivorsitzenden, wenden im Stillen schon seit Tagen das Für und Wider ihrer Favoriten. Dabei, so erzählt es einer, der es wissen muss, ändert sich derzeit die Lage dreimal täglich: "Was morgens plausibel aussieht, ist mittags überholt und am Abend erneut anders."

Wer sich trotzdem schon jetzt auf die Suche macht, muss verschiedene Konstellationen durchspielen, die alle an einem Amt beginnen: dem des Bundesfinanzministers. Ein Amt im Übrigen, dessen Inhaber inzwischen eine veritable Doppelrolle einnimmt.

Zu Hause wird er in den kommenden Jahren den Sparkommissar geben müssen. Und in der Welt der EU- und G-20-Finanzminister wird er viele Reisen machen, um das Weltfinanzsystem auf neue Beine zu stellen. Wie sich das auswirkt, hat Peer Steinbrück am eigenen Leib erleben dürfen. Der Bald-Ex-Bundesfinanzminister war am Anfang genervt über die vielen Auslandsreisen, am Ende aber hat er sie genossen.

Szenario eins: FDP-Chef Guido Westerwelle wird nicht Außen-, sondern ein um zusätzliche Kompetenzen erweiterter Bundesfinanzminister. Davon ist kaum auszugehen, zu stark scheint nach wie vor die Hans-Dietrich-Genscher-Tradition bei den Liberalen zu sein.

Szenario zwei: Der FDP-Vorsitzende und Vizekanzler geht ins Außenamt. Damit wäre, dem Turnus in der Dreier-Koalition entsprechend, die CSU an der Reihe. Und tatsächlich könnte Horst Seehofer für seine Partei das Finanzministerium reklamieren. Ob er das tun wird, ist jedoch bis jetzt nicht entschieden. Tatsächlich tobt in den Reihen der Christsozialen ein heftiger Kampf. Die einen sagen, die CSU müsse das machen, Karl-Theodor zu Guttenberg müsse rüberwechseln, auch wenn er bisher nicht als Experte für Steuer- und Haushaltsrecht gilt. Die anderen warnen vor so einem Schritt, angesichts der Schulden könne man in diesem Amt nicht glänzen. Zudem lägen die Fähigkeiten Guttenbergs eher im Wirtschafts- oder Verteidigungsministerium.

Entscheidet sich Seehofer für einen Finanzminister Guttenberg, dann würde der FDP-Mann Rainer Brüderle wohl Wirtschaftsminister. Hier gilt, dass Finanzen und Wirtschaft zwischen Union und FDP fair verteilt werden. Steht diese Konstellation fest, dann schließt sich die Verteilung weiterer Ressorts ziemlich sicher an. An die FDP würde sehr sicher das Justizministerium mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gehen - sowie ein weiteres Ressort, sei es Familie, sei es Bildung, sei es Umwelt, wahlweise besetzt mit Cornelia Pieper oder Birgit Homburger.

Viele können bleiben, was sie sind

Für die CSU käme neben einem mächtigen Finanzministerium wahrscheinlich nur noch ein Ressort, oder zwei sehr kleine, in Frage, so zum Beispiel das Landwirtschafts-, das Familien- oder das Entwicklungshilfeministerium. Mögliche Kandidaten hier: Noch-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner oder Noch-Landesgruppenchef Peter Ramsauer.

In den Reihen der CDU schließlich könnten ziemlich viele bleiben, was sie bisher waren: Wolfgang Schäuble Innenminister, Annette Schavan in jedem Fall Ministerin, vielleicht gar für Bildung. Franz Josef Jung könnte weiter das Verteidigungsressort führen, Thomas de Maizière das Kanzleramt, und Ursula von der Leyen bekäme voraussichtlich die Chance, das zu tun, was sie sehr kokett schon länger anstrebt: das Gesundheitsministerium im Kampf gegen die unzähligen Lobbyisten des Ressorts verteidigen.

Hinzu kämen, und das ist für die CDU-Vorsitzende Angela Merkel besonders interessant, mindestens zwei neue Gesichter: ein Arbeitsminister Ronald Pofalla (der Noch-CDU-Generalsekretär strebt das seit langem an) sowie Norbert Röttgen. Der bisherige Fraktionsgeschäftsführer käme für mehreres in Frage. Am meisten reizen dürften ihn ein Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, womöglich aufgewertet durch mehr Kompetenzen in Energiefragen - oder ein um Integrationsaufgaben aufgepepptes Bildungsministerium.

Mancher träumt von Guttenberg und Obama

Szenario drei: Die CSU kämpft nicht ums Finanzministerium, sondern wirft den Blick auf ein starkes Wirtschaftsministerium oder das Verteidigungsministerium. Der Fall kann eintreten. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Guttenberg tatsächlich Wirtschaftsminister bleibt, ist gering. Denn Angela Merkel hat sich an einer einzigen Stelle bereits festgelegt: Sie will, dass das Finanzministerium in Unionshänden bleibt. Und das hieße in diesem Fall: Merkel würde das Finanzministerium für die CDU reklamieren, als aktuell stärkste Favoriten gelten Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble und vielleicht sogar Norbert Röttgen. Westerwelles FDP würde erneut das Wirtschaftsministerium beanspruchen - und die CSU wäre raus aus den Ressorts mit den Wirtschaftskompetenzen.

Ihr bliebe tatsächlich das Verteidigungsministerium (mancher in der CSU träumt tatsächlich davon, dass Guttenberg und Barack Obama Hand in Hand Afghanistan befrieden). Hinzu kämen wahrscheinlich zwei weitere Ministerien: eines für Verkehr/Infrastruktur und ein drittes, möglicherweise Landwirtschaft.

Für die FDP würde sich wenig ändern, sie würde erneut das Justiz-, das Wirtschafts- und ein viertes Ministerium für sich reklamieren. In der CDU dagegen könnte für einen neuen Finanzminister de Maizière Röttgen ins Kanzleramt wechseln. Schavan (Bildung), Schäuble (Innen) und von der Leyen (Gesundheit) könnten ihre Ressorts besetzen, für Pofalla bliebe das Arbeitsministerium, Jung könnte Landwirtschaft übernehmen. Schließlich gäbe es das Entwicklungshilferessort. Es wird traditionell der Partei überlassen, die weder das Außen- noch das Verteidigungsressort besetzt. Die hieße in dem Fall CDU. Eine mögliche Kandidatin: Julia Klöckner.

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