Verkehrswende:Stoppschild für die Ampel

Berlin Frankfurter Allee Berlin, DEU, 29.03.2021 - Abendstimmung an der stark befahrenen Frankfurter Allee. Berlin Berli

Abgasstark: Abendliche Rushhour auf der Frankfurter Allee in Berlin

(Foto: Jochen Eckel /Imago)

Der Poker um Pendlerpauschale und Treibstoffsteuern reißt Gräben zwischen den Koalitionsverhandlern auf. Klimafreundliche Mobilität wollen alle - doch wer soll dafür zahlen?

Von Markus Balser, Berlin

Wo sich die verschwiegene Truppe allmorgendlich trifft, ist streng geheim. Klar ist allerdings: Die zwölf Verhandler der Koalitions-Arbeitsgruppe 7 mit dem Titel "Mobilität" haben auch am Freitag stundenlang über kaum zu lösenden Problemen gebrütet. Die Verhandlungsführer - Saarlands Wirtschafts- und Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic - wissen, dass sie die Deutschen zum Umsteigen bewegen müssen. Der Verkehrssektor hat eine miserable Klimabilanz. 30 Jahre sind die Emissionen im Verkehr kaum gefallen. Nun müssen sie bis 2030 fast halbiert werden. Schon in einem Jahrzehnt sollen doppelt so viele Deutsche mit der Bahn fahren, Millionen Dieselfahrer sollen sich E-Autos kaufen.

Wie kann das gelingen? An dieser Frage arbeiten sich die Verhandler nun ab. Gerade mal zwölf Tage bleiben ihrer AG und auch der Gruppe Finanzen und Haushalt, um eins der schwierigsten Kapitel der Koalitionsverhandlungen zu schreiben. Und zu den schwer erreichbaren Zielen für mehr Klimaschutz im Verkehr kommen auch noch schwer vereinbare Positionen.

Am Freitag illustrierte ein Beispiel, wie weit die Parteien noch immer auseinander liegen. Während die Grünen die Pendlerpauschale unbedingt abschaffen wollen, will die FDP sie partout erhalten. Parteichef Christian Lindner stellte vorsichtshalber öffentlich ein Stoppschild auf: Subventionsabbau dürfe nicht zur Steuererhöhung für die arbeitende Mitte werden, erklärte er per Interview. Nicht, wenn gleichzeitig die Benzinpreise so hoch seien und die Inflation so stark steige, ergänzen Insider.

Die Pendlerpauschale ermöglicht es Millionen Deutschen, Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit von der Steuer abzusetzen. Umstritten ist sie, weil sie das Autofahren begünstigt. Die Grünen reagierten mit öffentlichem Unverständnis auf Lindners Veto: "Es ist nicht smart, mitten in der Klimakrise diese mit großen zweistelligen Milliardenbeträgen an Steuergeldern noch anzuheizen", sagte der Finanzpolitiker Sven-Christian Kindler. Klimaschädliche Subventionen würden die Transformation der Wirtschaft teuer und ineffizient machen, den Markt verzerren und den Haushalt belasten.

Um die Pkw-Maut machen die Verhandler einen Bogen

SPD, Grüne und FDP hatten sich eigentlich bereits in ihrem Sondierungspapier vorgenommen, klimaschädigende Subventionen zu streichen, um finanzielle Spielräume für den Umbau zu gewinnen. Auch das Umweltbundesamt rechnete am Donnerstag in einer großen Studie vor, dass der Abbau solcher Subventionen zweistellige Milliardeneinsparungen bringen würde. Allerdings räumte es auch ein: Auf einen Schlag sei der Abbau kaum möglich. Allein zwölf Milliarden Euro entfielen auf Steuervorteile für Kerosin und Flugtickets. Das sei nur auf EU-Ebene zu ändern. Auch sollten Härten für ärmere Menschen vermieden werden.

Die Verhandler, heißt es, suchen nun auf anderen Wegen nach Geld für die umweltfreundlichen Verkehrswende, für Ladenetze etwa oder den Ausbau der Bahn und des öffentlichen Nahverkehrs. Da wäre zum Beispiel die Lkw-Maut, die 2023 ohnehin novelliert werden muss. Eine teurere Abgabe für besonders laute oder wenig umweltfreundliche Fahrzeuge käme ebenfalls infrage. Zudem könnte man den Tribut auf kleinere Lkw ab 3,5 Tonnen ausweiten, bislang wird er erst von 7,5 Tonnen an fällig. Im Gespräch sei außerdem, die Lkw-Maut auf Fernbusse auszudehnen, Umweltschützer fordern das seit Jahren. Nur einen neuen Anlauf für die unter Verkehrsminister Andreas Scheuer krachend gescheiterte Pkw-Maut wolle in der AG nun wirklich niemand, heißt es.

Insgesamt würden solche Änderungen der künftigen Regierung langfristig eine Milliarde Euro pro Jahr an zusätzlichem Spielraum bringen. Kommt ein weiterer CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut hinzu, wären sogar Einnahmen von zwei Milliarden Euro drin. Viel ist das für große Umbaupläne allerdings nicht. Deshalb werde auch über die Ausgaben gesprochen - etwa über Einschnitte bei der E-Auto-Prämie von bis zu 6000 Euro je Fahrzeug. Möglicherweise werden die Prämien für Plugin-Hybride, also E-Autos, die zusätzlich einen Verbrennungsmotor an Bord haben, gestrichen oder gekürzt.

Völlig offen ist bislang, wer am Ende der Verhandlungen den Verkehrsministerposten übernehmen soll. Dem Vernehmen nach haben alle drei Parteien Interesse an dem Ressort, das über den größten Investitionshaushalt aller Ministerien verfügt. Auch Kandidaten für das Amt seien vorhanden. Noch aber gehe es um ganz andere Fragen.

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