Koalitionsverhandlungen:Reizwort Obergrenze

Lesezeit: 2 min

Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD wollen bis Sonntag eine Koalitionsvereinbarung abschließen. (Foto: dpa)
  • SPD und Union haben sich in den Koalitionsverhandlungen beim Thema Migration geeinigt.
  • Es bleibt dabei, dass die Zuwanderungszahlen die Spanne von 180 000 bis 220 000 pro Jahr nicht überschreiten sollen.
  • Die CSU hält das für eine Obergrenze, die SPD nicht.

Es ist heikel, eine politische Vereinbarung darauf zu stützen, dass die CSU-Vertreter eines ihrer Lieblingswörter nicht mehr sagen dürfen. Am späten Freitagabend räumten Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen zum Thema Migration den letzten großen Streitpunkt aus - eigentlich. Dabei ging es um eine Formulierung rund um die Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland. Die CSU hat dafür ein Wort geprägt und es lieben gelernt: Obergrenze. Der Begriff ist ideologisch aufgeladen, für die Sozialdemokraten ist er ein rotes Tuch.

Bei ihren Sondierungen hatten beide Seiten einen maximal sperrigen Satz zu dem Thema formuliert, der acht Zeilen füllte und mit der Feststellung endete, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden". Danach hatte die CSU verkündet, sie habe ihre Obergrenze durchgesetzt - sehr zum Ärger der Sozialdemokraten.

Koalitionsverhandlungen in Berlin
:SPD lenkt ein bei Migration

"Wenn die CSU an dieser Stelle sagt, wir sind sehr zufrieden, dann wissen Sie, was das bedeutet", sagt dazu CSU-Generalsekretär Scheuer. Am Wochenende dürfte bei den Koalitionsgesprächen noch einmal hart gerungen werden.

Bei den Koalitionsverhandlungen lautet die Einigung nun: Es bleibt bei dem Satz, aber die CSU soll "irreführende Öffentlichkeitsarbeit zu Lasten der SPD verzichten". So formulierte es der zuständige Unterhändler der SPD, Parteivize Ralf Stegner. Inklusive allerlei Ausführungen darüber, was eine "deskriptive Feststellung" und was eine "normative Begrenzung" sei. "Wer die Sätze sich anguckt und Deutsch versteht, weiß auch, dass das deskriptiv ist", sagte Stegner. "Ich hab mal Deutsch studiert. Ich kann da als Experte helfen, wenn es nötig ist." Der SPD sei jedenfalls zugesagt worden, dass die CSU Missinterpretationen nun unterlasse. Sprich: Die Bayern sollen nicht mehr von einer Obergrenze reden.

Scheuer ist "sehr zufrieden"

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer war schon am Freitagabend anzusehen, dass ihm das einigermaßen schwerfällt. Auf die Frage, ob er nun also bis zum Ende des SPD-Mitgliederentscheides nicht mehr von einer Obergrenze sprechen werde, antwortete Scheuer: "Ich weiß nicht, was das Beißen auf die Lippe hergibt." Und schob nach einer kurzen Pause nach: "Nein, ganz im Ernst, das ist ein sehr, sehr ernsthaftes Thema." Ansonsten wiederholte Scheuer die kurze Losung. Er sei "sehr zufrieden" - wohl in der Hoffnung, dass jeder schon wissen wird, was die CSU meint, wenn sie bei diesem Thema ihre Zufriedenheit kundtut.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) konnte dann aber doch nicht an sich halten. Per Interview in der Rheinischen Post ließ er am Samstag wissen, es sei sehr wohl eine Obergrenze vereinbart - quasi als Morgenlektüre für den Germanisten Stegner.

Der konterte, es sei der SPD "vollkommen wurscht", wie die CSU in ihren eigenen Reihen kommuniziere - "ob die das Weißwurstlinie, Obergrenze oder Anti-Flüchtlingswall nennen". Fakt sei, dass die SPD einer Obergrenze nicht zugestimmt habe. Auch SPD-Vizechefin Manuela Schwesig befand knapp und trotzig: "Wir haben keine Obergrenze festgelegt." Alles beim Alten also.

© SZ.de/dpa/irm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Koalitionsverhandlungen
:Worauf sich Union und SPD schon geeinigt haben

Ganztagsschulen, Ehrenamts-Euro, Schutz der Sparkassen: Union und SPD haben vor allem Maßnahmen vereinbart, um Kommunen, Bildung und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, Larissa Holzki und Paul Munzinger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: