Süddeutsche Zeitung

Koalitionsverhandlungen:Pkw-Maut vielleicht - Mindestlohn ja, aber

Die mögliche große Koalition findet beim Reizthema Pkw-Maut keine gemeinsame Linie. Über das Wunschprojekt der CSU soll erst in den Schlussverhandlungen entschieden werden. Beim Mindestlohn und der Mütterrente sind die Verhandlungspartner schon einen Schritt weiter.

Union und SPD wollen in einer großen Koalition mehr Geld für die Sanierung der Verkehrswege mobilisieren und dafür auch Straßenbenutzer heranziehen - immerhin auf diesen Konsens konnten sich die Verhandlungspartner einigen. Der "konkrete Rahmen der künftigen Nutzerfinanzierung" soll aber erst in den Schlussverhandlungen zum Koalitionsvertrag festgelegt werden. Das wurde nach einer Sitzung der Verkehrs-Arbeitsgruppe von Union und SPD am späten Montagabend in Berlin mitgeteilt. Auch über die von der CSU verlangte Pkw-Maut sollen damit letztlich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD entscheiden.

Aus dem Haushalt sollten jährlich "deutlich erhöhte zusätzliche Finanzmittel in den Verkehrsetat fließen sowie zusätzliche Gelder aus der Nutzerfinanzierung generiert werden", hieß es nach der Sitzung der Arbeitsgruppe. Für Erhalt, Ausbau und Neubau der Verkehrswege des Bundes fehlten rund vier Milliarden Euro im Jahr. Der amtierende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte: "Wir brauchen einen kräftigen Modernisierungsschub in Deutschland." Auch SPD-Verhandlungsführer Florian Pronold betonte: "Die große Koalition muss große Schritte bei der Finanzierung der Infrastruktur machen." Wie der erhöhte Finanzierungsbedarf jedoch gedeckt werden soll, darüber ist man sich weiterhin nicht einig.

Die CSU fordert ultimativ die Einführung einer Pkw-Maut, um auch Autofahrer aus dem Ausland zur Kasse zu bitten. Ein ausgearbeitetes Konzept für die vorgeschlagene Vignette mit einem Ausgleich für deutsche Fahrer über die Kfz-Steuer liegt jedoch noch immer nicht vor. Die CDU macht eine Einigung in dieser Frage unter anderem davon abhängig, dass es keine Mehrbelastung für Fahrer aus dem Inland gibt. Die SPD lehnt eine Pkw-Maut ab und fordert stattdessen eine Ausweitung der Lkw-Maut.

Die Arbeitsgruppe von Union und SPD konnte sich auf weitere Punkte verständigen, um den Logistikstandort zu stärken. Die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten von Lastwagen soll stärker kontrolliert werden. Bis zum Ende der Wahlperiode sollen zusätzliche 6000 Lkw-Stellplätze an Autobahnen entstehen. Bei der Lkw-Maut soll für umweltfreundliche Fahrzeuge (Euro IV) eine günstige Mautklasse geschaffen werden.

Mindestlohn, Mütterrente und Rente für Geringverdiener

Die Verhandlungsführer der Koalitions-Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen (CDU) und Andrea Nahles (SPD), verständigten sich währenddessen auf die Einführung eines Mindestlohns, die umstrittene Mütterrente sowie eine ausreichende Rente für Geringverdiener.

Über die Höhe des Mindestlohns wird eine Fachkommission jährlich neu entscheiden. Über Starthöhe und Beginn des Gesetzes werden sich die Parteispitzen erst am Ende der Koalitionsverhandlungen einigen. Nach dem Willen der Union soll es frühestens 2016 in Kraft treten. Die Bundesbank warnte, eine gesetzliche Vorgabe sei ein Eingriff in Lohnfindungsstrukturen und berge erhebliche Beschäftigungsrisiken.

Führende Unionspolitiker warnen die SPD vor überzogenen neuen Forderungen. CSU-Chef Horst Seehofer will sich in der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen von den Sozialdemokraten nicht unter Druck setzen lassen. "Wir können nicht das Wahlergebnis auf den Kopf stellen", sagte er in München. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wies Forderungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel zurück, die Union müsse jetzt liefern: "Wir müssen überhaupt nichts liefern."

Mütterrente: Die von der Union gewünschte verbesserte Rente für Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, soll kommen. Höhe und Finanzierung sind weiter offen. Das betrifft auch die Einigung über eine ausreichende Rente für Geringverdiener.

Frauenquote: Nach dem Willen der Unterhändler sollen Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen von 2016 an einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent haben. Unternehmen sollen ab 2015 eigene verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Spitzenposten definieren und veröffentlichen.

Pflege: Es soll einen Rechtsanspruch für eine Familienpflegezeit geben. Arbeitnehmern wird zur Pflege Angehöriger eine zehntägige Auszeit zugestanden, in der sie weiter bezahlt werden.

Elterngeld Plus: Eltern soll der Wiedereinstieg in den Beruf per Teilzeitjob leichter gemacht werden. Mit einem "Elterngeld Plus" sollen Eltern für die Dauer von bis zu 28 Monaten das Elterngeld in Kombination mit einer nicht geringfügigen Teilzeittätigkeit in Anspruch nehmen können. Das soll vor allem Alleinerziehenden die Rückkehr zur Arbeit erleichtern. Einen Partnerschaftsbonus sollen alle Elterngeldbezieher erhalten, die beide parallel in Teilzeit 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten.

Gesundheit: Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen bleibt strittig. Angesichts erwarteter Zusatzbeiträge für Millionen Versicherte dringt die SPD auf die Abschaffung der Aufschläge - die Union ist dagegen.

Wagniskapital: Union und SPD wollen in der neuen Legislaturperiode ein eigenes Gesetz schaffen, um den Einsatz von Wagniskapital zu fördern. Das geht aus der verabredeten Vorlage zur digitalen Agenda hervor. Um Deutschland als Investitionsstandort international attraktiver zu machen, soll ein eigenständiges Regelwerk (Venture-Capital-Gesetz) erlassen werden, heißt es in dem Papier der Netzpolitiker. Es soll am Dienstag in der großen Koalitionsrunde beraten werden. Der Mangel an Wagniskapital gilt in der Bundesrepublik als Hauptbremse für die Gründung von IT-Unternehmen. Ziel ist es, die Zahl der Firmen-Neugründungen von derzeit 10.000 auf 15.000 pro Jahr zu steigern.

Befristung von Zeitarbeit: In den Koalitionsverhandlungen ist auch eine zeitliche Begrenzung der Leiharbeit auf 24 Monate oder weniger im Gespräch. Die Fachpolitiker unter Leitung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles konnten sich aber nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigen. Die Union plädiert für eine "Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten", die SPD indes für eine Befristung auf zwölf Monate. Eine gesetzliche Befristung hätte Auswirkungen für zahlreiche Leiharbeitsfirmen wie die Branchengrößen Adecco oder Randstad. Bisher ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgelegt, dass die Leiharbeit nur "vorübergehend" sein darf. Das Bundesarbeitsgericht hatte dies im Juli bekräftigt, eine konkrete Höchstüberlassungsdauer aber nicht genannt.

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