Süddeutsche Zeitung

Koalitionsverhandlungen:Kauder: Nicht jeden Tag dem anderen eine Wurst vor die Nase halten

  • Schon vor Beginn der Sondierungsgespräche macht FDP-Chef Lindner klar, dass das Finanzministerium nicht länger in Unionshand bleiben sollte.
  • Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies dies als verfrüht zurück. Wichtiger sei es jetzt, "ein sondierungsfreundliches Klima" bei allen Parteien zu schaffen.
  • An diesem Mittwoch treffen sich erstmals Vertreter der Union mit der FDP, danach auch mit den Grünen.

Von Nico Fried, Berlin

Kurz vor Beginn der ersten Sondierungsrunde für eine Jamaika-Koalition zeichnet sich zwischen Union und FDP ein heftiges Ringen um die Nachfolge von Wolfgang Schäuble (CDU) im Bundesfinanzministerium ab. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) wies am Dienstag Äußerungen des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner als verfrüht zurück, der sich klar dagegen ausgesprochen hatte, dass die CDU das Ministerium wieder besetzt. Schäuble wurde am Dienstag von der Unions-Fraktion einstimmig als Bundestagspräsident nominiert. Die Wahl findet am 24. Oktober in der konstituierenden Sitzung des Bundestages statt.

Lindner hatte zwar das Finanzministerium nicht ausdrücklich für die FDP gefordert, aber gesagt: "Ein Grüner, ein CSU- oder ein FDP-Finanzminister - alles wäre besser, als das Kanzleramt und das Finanzministerium weiterhin in CDU-Hand zu halten, denn so wird durchregiert." Es habe sich gezeigt, "dass Wolfgang Schäuble ein leitender und leidender Mitarbeiter des Bundeskanzleramts war", so Lindner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

"Nicht jeden Tag dem anderen eine Wurst vor die Nase halten"

Kauder hatte vergangene Woche den Wunsch geäußert, dass die Union das Ministerium behalten könne, dies aber ausdrücklich nicht als Bedingung für eine Koalition bezeichnet. Auf die Äußerungen Lindners reagierte der Unions-Fraktionschef nun pikiert: "Ich würde mal raten, ein sondierungsfreundliches Klima in allen betroffenen Parteien zu schaffen", sagte Kauder vor der Sitzung seiner Fraktion. "Und das heißt, nicht jeden Tag dem anderen eine Wurst vor die Nase zu halten." Man sei sich einig, dass Personalfragen am Ende stehen sollten, "nicht am Start".

An diesem Mittwoch treffen sich erstmals Vertreter der Union unter Führung von CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zunächst mit der FDP, anschließend mit den Grünen. Seehofer besuchte bereits am Dienstagabend die Grünen-Zentrale, um dort ein Vorgespräch zu führen. Die Differenzen zwischen CSU und Grünen gelten als besonders groß. Am Donnerstag wollen sich Grüne und FDP dann ohne die Union austauschen, am Freitag soll erstmals eine Runde aus allen vier Parteien zusammenkommen.

Kauder äußerte die Hoffnung, die Verhandlungen mit FDP und Grünen insgesamt bis Weihnachten abschließen zu können. "Wir sollten da mit großer Ernsthaftigkeit herangehen", sagte der CDU-Politiker. Es sei "klar, dass es nicht entscheidend auf die Schnelligkeit ankommt, aber es wäre schön, wenn wir bis zum Ende des Jahres einen Koalitionsvertrag zusammenbekommen hätten".

Nach jetzigem Stand müssten dann aber noch die beteiligten Parteien auf Parteitagen beziehungsweise in Mitgliederbefragungen der Vereinbarung für eine Jamaika-Koalition zustimmen. Schäuble wird als Bundestagspräsident sechs Stellvertreter bekommen, von jeder Fraktion einen. Die Union nominierte Hans-Peter Friedrich (CSU), die Grünen Claudia Roth, die AfD Albrecht Glaser. Noch nicht entschieden haben sich SPD, FDP und Linke.

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SZ vom 18.10.2017/jly
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