Koalitionsverhandlungen:Konfliktstoff in der Außenpolitik

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Machtfrage zwischen Angela Merkel und Guido Westerwelle: Die Liberalen befürchten, dass die Union Europafragen auf das Kanzleramt übertragen will.

Peter Blechschmidt

Die Koalitionsarbeitsgruppe Außen/Verteidigung/Europa hat sich Zeit gelassen. Während andere Unterhändler der angestrebten schwarz-gelben Koalition schon erste Ergebnisse verkündeten, trat die AG Außenpolitik am Donnerstagnachmittag erstmals zusammen. Und als sie am Abend nach viereinhalb Stunden auseinander ging, waren nach Angaben von Teilnehmern nicht einmal alle Themen angesprochen, geschweige denn Vereinbarungen absehbar.

Dafür aber gab es jede Menge Konfliktstoff in der hessischen Landesvertretung, wo die Verhandlungen stattfanden. Sie bot sozusagen einen Platzvorteil für den Verhandlungsführer der Union, den Noch-Verteidigungsminister Franz Josef Jung aus dem Rheingau. Den aber konnten die Liberalen locker ausgleichen mit der außenpolitischen Expertise ihres Vormannes Werner Hoyer, ehedem Staatsminister im Auswärtigen Amt (AA) und auf dem Sprung zurück in seine alte Wirkungsstätte.

Um die künftigen Kompetenzen des AA und seines designierten Chefs, des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, zeichnet sich denn auch ein veritabler Konflikt ab. Die Liberalen argwöhnen, dass die Union die Kompetenzen für die Europa-Politik noch stärker als in der Vergangenheit auf das Kanzleramt übertragen wolle. Einer ihrer Spitzenleute beobachtet eine "schleichende Verschiebung hin zu einer Präsidialdemokratie". Sie sehen die Machtbalance zwischen dem Kanzleramt und der Eigenverantwortung der Ressorts in Gefahr.

Letztlich ist es eine Machtfrage, und sie wird, so die Prognose auf beiden Seiten, zwischen der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und FDP-Chef Westerwelle unter vier Augen entschieden. Und sie wird im Gesamtzusammenhang des Personaltableaus gesehen werden, das im übrigen auch die Position des künftigen deutschen EU-Kommissars einschließen wird. "Den wollen alle", heißt es dazu in der Arbeitsgruppe.

Entwicklungs- und Verteidigungspolitik

Weit auseinander liegen die Positionen in der Entwicklungspolitik, einem Feld, das bisher noch gar nicht angesprochen wurde. Einig sei man sich, dass die Zusammenarbeit zwischen Außenamt, Verteidigungsressort und dem bisher von der SPD geführten Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit besser werden müsse, heißt es auf beiden Seiten. Der Wunsch der FDP, die Entwicklungspolitik ins AA zu "integrieren", dürfte jedoch kaum in Erfüllung gehen. Die Entwicklungspolitiker der Union setzen auf eine Bestandsgarantie von Kanzlerin Merkel. Das Ressort dürfte schon deshalb überleben, weil nur so alle Koalitionspartner ausreichend mit Posten versorgt werden können.

Der dritte Komplex in dieser Arbeitsgruppe ist die Verteidigungspolitik. Hier reichen die Themen von Afghanistan über die großen Rüstungsprojekte bis zur Wehrpflicht. Dass sich die künftigen Partner auf eine Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan verpflichten werden, steht außer Frage. Offen ist jedoch, ob schon Einzelheiten des Mandats festgelegt werden, das im Dezember vom Bundestag verlängert werden muss. Das betrifft insbesondere die Obergrenze für die Zahl der eingesetzten Soldaten. Einig sind sich Union und FDP darin, dass es in Zukunft schwerer werden dürfte, im Bundestag auch die Zustimmung von SPD und Grünen für den Afghanistan-Einsatz zu gewinnen. Umso wichtiger werde es sein, bald zu konkreten Fortschritten beim Aufbau Afghanistans zu kommen, heißt es in der Arbeitsgruppe.

Probleme mit der Wehrpflicht

Probleme haben die Koalitionäre auch mit der Wehrpflicht, deren Aussetzung die FDP fordert. "Da stehen wir unter enormem Druck unserer Leute", weiß ein Liberaler. Sie bleibe unverzichtbar, beharrt die Union, schon allein um qualifizierten Nachwuchs bei Zeit- und Berufssoldaten zu gewinnen. Angesichts der krassen Ungerechtigkeit bei der Einziehung zum Wehrdienst sei dies kein taugliches Argument, halten die Liberalen dagegen. Am nächsten Dienstag tritt die Arbeitsgruppe wieder zusammen.

© SZ vom 10.10.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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