Koalitionsverhandlungen in Griechenland:Drohende Neuwahlen geben Linksradikalen Aufwind

Am Sonntag will Staatspräsident Karolos Papoulias ein letztes Mal versuchen, mit den Parteiführern der Konservativen, der Sozialisten und der radikalen Linken eine mehrheitsfähige Regierung zustande zu bringen. Scheitert er, sind Neuwahlen unvermeidlich. Davon könnten vor allem die Linksradikalen profitieren. Umfragen sehen die Partei unter der Führung von Alexis Tsipras bereits als stärkste Kraft aus dem zähen Ringen um eine Regierung hervorgehen.

Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias drückt aufs Tempo: Nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen mehrerer Parteiführer übernimmt er das Ruder, um das Regierungschaos zu überwinden. Schon an diesem Sonntag will der 82-Jährige mit den Vorsitzenden der drei stärksten Parteien - Antonis Samaras (Nea Dimokratia), Alexis Tsipras (Syriza) und Evangelos Venizelos (Pasok) - zusammentreffen.

Evangelos Venizelos Alexis Tsipras Griechenland

Die Linksradikalen unter der Führung von Alexis Tsipras (vorne) könnten jüngsten Umfragen zufolge mögliche Neuwahlen in Griechenland gewinnen. Evangelos Venizelos, Chef der Sozialisten, war zuletzt mit einer Regierungsbildung gescheitert.

(Foto: AFP)

Danach plane Papoulias separate Treffen mit den Chefs der kleineren Parteien, die es ins Parlament geschafft hätten, einschließlich der rechtsextremen Goldenen Morgenröte. Das Linksbündnis Syriza lehnt den Rettungsplan für Griechenland allerdings weiter ab. Es werde keine Regierung unterstützen, die die Reformen befürworte, sagte Syriza-Sprecher Panos Skourletis der Nachrichtenagentur Reuters. Die gemäßigten griechischen Parteien wollen das Land in der Euro-Zone halten, aber das rigide Sparprogramm aufweichen.

Papoulias äußerte sich skeptisch zur Aussicht einer Regierungsbildung. "Ich hoffe, dass ich zur Lösung beitragen kann", sagte er Samstag nach einem Treffen mit dem Sozialistenführer Venizelos, der sein Sondierungsmandat offiziell zurückgab. Ziel der Krisengespräche sei ein tragfähiges Bündnis aus konservativer Nea Dimokratia, Sozialisten, der kleinen Partei Demokratische Linke (Dimar) und der radikallinken Syriza. Diese Koalition solle das Land bis 2014 führen.

Sollte in den nächsten Tagen keine tragfähige Koalition geschmiedet werden können, sind Neuwahlen am 10. oder 17. Juni unabwendbar. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge würde die Radikale Linksallianz Syriza diese gewinnen und mit 23,8 Prozent als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgehen. Sie würde zwar nicht ausreichend Stimmen erhalten, um ohne Bündnispartner regieren zu können. Allerdings würde sie von der Regelung profitieren, wonach die Partei mit den meisten Stimmen einen Bonus von 50 Sitzen der 300 Mandate im Parlament erhält. Damit wäre sie stark genug, um sich einen Koalitionspartner zu suchen, der ebenfalls gegen die Sparauflagen für das internationale Rettungspaket für Griechenland ist.

Tsipras' Bündnis war aus den Wahlen am 6. Mai als zweitstärkste Kraft hervorgegangen, nach der Nea Dimokratia und vor der Pasok. Er interpretierte das Wahlergebnis als Auftrag des Volkes an seine Partei, das Sparprogramm zu beenden.

Verträge müssen überdacht werden

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, die europäischen Partner müssten ihren Zeitplan auf den Prüfstand stellen und die Verträge mit Griechenland im Zweifel nachbessern. Sollte sich die Regierungsbildung weiter verzögern oder sollte es Neuwahlen geben, brauche Griechenland mehr Zeit. Am vereinbarten harten Sparkurs führe jedoch kein Weg vorbei.

Er habe kein Problem damit, dass Griechenland zum Beispiel ein Jahr mehr zur Umsetzung des vertraglich vereinbarten Konsolidierungsprogramms bekomme, sagte der luxemburgische Regierungschef. Dies müsse aber auf europäischer Ebene erst ausverhandelt werden. "Wir werden über den Zeitplan der griechischen Staatssanierung erst mit einer fest zusammengefügten griechischen Regierung reden können", sagte Juncker. "Wir können jetzt nicht in Verhandlungen mit den einzelnen griechischen Parteien treten."

"Im Moment scheint in Griechenland eine Regierungsbildung nicht möglich", sagte der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), dem Hamburger Abendblatt. Die Zersplitterung der Parteienlandschaft sei "Ausdruck einer tiefen psychologischen Krise" und kein Nein zur EU. Wenn keine funktionierende Regierung zustande komme, sei es besser, nochmal zu wählen - "und die 40 Prozent Nichtwähler an die Urnen zu bringen", sagte Schulz.

Sparen und Wachsen

Schulz warb für weitere Finanzhilfen für Griechenland. Zum Sparen müssten Wachstumsimpulse kommen. "Griechenland ist ein geeignetes Land für die Solarenergie", sagte der SPD-Politiker. Athen müsse Netze ausbauen, um den Strom zu exportieren - bis nach Deutschland. An diesem Sonntag will Schulz in Griechenland mit politisch Verantwortlichen sprechen.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schließt weitere Hilfen für Griechenland ausdrücklich nicht aus. Zugleich bestätigte er in der Welt am Sonntag, dass sich die Bundesregierung auf einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone vorbereite. "Natürlich wollen wir nicht, dass Griechenland aussteigt - ganz klar und ganz eindeutig", sagte der CDU-Politiker. Aber die Bundesregierung wäre "eine komische Regierung", wenn sie sich nicht auf alle denkbaren Fallkonstellationen vorbereiten würde.

"Wenn die Griechen eine Idee haben, was wir zusätzlich tun können, um das Wachstum zu fördern, kann man immer darüber sprechen und nachdenken", sagte Schäuble. Im Kern gehe es aber darum, Griechenland wieder wettbewerbsfähig zu machen, die Wirtschaft wachsen zu lassen und den Weg zu den Finanzmärkten wieder zu öffnen. Schäuble rief daher die griechische Bevölkerung dazu auf, bei der sich abzeichnenden Neuwahl für den Reformkurs zu stimmen. "Jetzt muss Griechenland zeigen, ob es die Kraft hat, dafür die notwendigen Mehrheiten zustande zu bringen", sagte er. "Ich kann nur hoffen, dass die Einsicht bei den Verantwortlichen in Griechenland schnell einkehrt."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) macht weitere Finanzhilfen für Griechenland vom Einhalten des Spar- und Reformkurses abhängig. "Wenn eine neue Regierung die Vereinbarungen einseitig aufkündigt, dann wird es auch keine weiteren europäischen Hilfsgelder geben können", sagte er der Welt. "Wir möchten, dass Griechenland es schafft. Deshalb helfen wir. Aber die Griechen müssen im Gegenzug ihre Reformzusagen einhalten."

Döring will Innovation in Krisenländern fördern

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sieht grundsätzlich die Möglichkeit, eine Wachstumspolitik in Europa zu fördern. "In den europäischen Strukturfonds gibt es gewaltige bisher nicht abgerufene Mittel", sagte Döring in Berlin. Diese könne man gemeinsam für Wachstum, Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen "in den Krisenländern" einsetzen. "Das wird sich vereinbaren lassen", sagte Döring, ohne jedoch Griechenland konkret als Empfängerland zu nennen. Ziel sei, "das Wachstum in den Ländern zu stimulieren, die von der Krise am meisten heimgesucht wurden".

Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte Athen davor, Verträge mit dem Internationalen Währungsfonds IWF und der EU nicht einzuhalten. "Auch die Geberländer müssen sich gegenüber ihrer Bevölkerung rechtfertigen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone hätte "für Griechenland gravierendere Folgen als für den Rest der Euro-Zone".

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