Regierungskoalitionen sind schon daran zerbrochen, dass die Partner sich nicht einig werden konnten, wie ein Loch im Haushalt gestopft werden soll. Es war deshalb kein Zufall, dass sich der wohl künftige Bundeskanzler und sein designierter Vize bei der Vorstellung des schwarz-roten Koalitionsvertrags in dieser Woche beinahe wortgleich zur Sparsamkeit bekannten. „Solide Haushaltspolitik muss ein Zeichen dieser Koalition sein“, erklärte CDU-Chef Friedrich Merz, und Lars Klingbeil, sein SPD-Amtskollege und möglicher Kassenwart, assistierte, die Regierung werde einen Finanzplan vorlegen, „der keine Luftschlösser baut“.
Wer den Koalitionsvertrag oder die mündlichen Stellungnahmen der beiden Herren genauer durchforstet, dürfte allerdings stutzig werden: Denn obwohl Union und SPD in ihrem Vertragswerk ausdrücklich konstatieren, dass der Bundeshaushalt „unter einem hohen Konsolidierungsdruck steht“, fehlen konkrete Sparvorschläge – jedenfalls solche, die wirklich nennenswerte Summen einbringen könnten.
Die Lockerung der Schuldenbremse hilft nur bedingt
So wollen Union und SPD zwar beispielsweise die Zahl der Bundesbeauftragten halbieren, die Kosten für externe Berater senken und die „sächlichen Verwaltungsausgaben“, also die Aufwendungen der Ministerien etwa für Dienstreisen, Fahrzeuge und Mieten, bis 2029 um zehn Prozent verringern. Die damit erzielbaren Einsparungen lägen in einem Haushalt mit Gesamtausgaben von fast 500 Milliarden Euro aber wohl noch unterhalb des Promillebereichs.
Ein wenig mehr versprechen da schon die Reformen des Bürgergelds, der Entwicklungshilfe und der Klimaschutzprogramme, die CDU, CSU und SPD ebenfalls verabredet haben. Das Bürgergeld, das künftig „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ heißen wird, soll in Zukunft weniger stark angehoben und zudem für Menschen gestrichen werden, die eine zumutbare Arbeit wiederholt ablehnen. Die Entwicklungszusammenarbeit mit internationalen Organisationen und ärmeren Staaten wird nach Klingbeils Worten „strategisch neu aufgestellt“, im Klima- und Transformationsfonds (KTF) ist eine „Straffung, Konzentrierung und Kürzung von Förderprogrammen“ angedacht. Exakte Einsparziele fehlen aber auch hier. Zudem wird sich die Koalition bei der Umsetzung der Pläne auf erhebliche politische Widerstände und öffentliche Proteste einstellen müssen.
Immerhin: Ein wenig Druck aus dem Kessel hatten die künftigen Regierungspartner schon vor Beginn ihrer offiziellen Koalitionsverhandlungen genommen, indem sie sich mit den Grünen auf eine Lockerung der Schuldenbremse verständigten. Die entsprechende Grundgesetzänderung macht es möglich, dass Mittel des Bundes für die Sanierung und den Ausbau von Brücken, Schienenwegen, Digitalnetzen und anderen Infrastruktureinrichtungen bis zu einer Höhe von 500 Milliarden Euro an der Kreditobergrenze der Verfassung vorbei auf Pump finanziert werden können. Für Verteidigungsausgaben, die ein Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung eines Jahres übersteigen, darf die Regierung künftig sogar in unbegrenzter Höhe Darlehen auf den Kapitalmärkten aufnehmen.
Beide Programme sorgen dafür, dass einzelne Ausgaben, die bisher über den Bundeshaushalt hätten finanziert werden müssen, nun nicht mehr dort eingerechnet werden. Allein im laufenden Jahr wird der Kernetat auf diesem Weg um mehr als 20 Milliarden Euro entlastet, die nun anderweitig verplant werden können. Aber: Die Geldspritze hilft der künftigen Regierung nur bedingt, denn in der Finanzplanung für dieses Jahr klaffte schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen eine Lücke von bis zu 26 Milliarden Euro – die Ampelkoalition war schließlich nicht ohne Grund auseinandergebrochen. In der Planung für die Folgejahren sind die Löcher sogar noch größer.
Das wiegt umso schwerer, als Union und SPD im Koalitionsvertrag ja auch Maßnahmen beschlossen haben, die zusätzliche Mindereinnahmen oder Mehrausgaben nach sich ziehen würden. Dazu zählt beispielsweise die fest angekündigte Senkung des Körperschaftsteuersatzes in den Jahren 2028 und 2029 sowie die geplante Reduzierung der Einkommensteuerlast „für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur“.
Entlastungen wie das Klimageld wurden klammheimlich beerdigt
Um nicht gleich zu Beginn schon in größere finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, hat Schwarz-Rot deshalb klammheimlich das ein oder andere Projekt beerdigt, das eigentlich zugesagt war, aber viele Milliarden gekostet hätte. Beispiel Klimageld: Es sollte eigentlich künftig an alle Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt werden, um die Mehrausgaben auszugleichen, die den Menschen durch die weiter steigenden CO2-Abgaben etwa beim Kauf von Benzin oder Gas entstehen. Stattdessen heißt es im Koalitionsvertrag nun: „Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung geben wir an Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft zurück: durch eine spürbare Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität.“ Von Klimageld keine Rede mehr.
Vielleicht-Finanzminister Klingbeil machte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags zudem klar, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – alle von Union und SPD vereinbarten Vorhaben „unter Finanzierungsvorbehalt“ stünden. Soll heißen: Ist kein Geld da, kann auch ein eigentlich schon vereinbartes Projekt nicht umgesetzt werden. Wenn zum Beispiel das angestrebte zusätzliche Wirtschaftswachstum ausbleibt. Das klingt ebenso logisch wie löblich, bedeutet aber nichts anderes, als dass Streit absehbar ist. In der Praxis nämlich wird keiner der drei Koalitionspartner seine Wunschliste zusammenstreichen wollen.
„Wir müssen noch einen Bundeshaushalt 2025 aufstellen, wir müssen sehr schnell dann in den Bundeshaushalt 2026 gehen“, fasste Bald-Kanzler Merz beim gemeinsamen Auftritt mit Klingbeil, CSU-Chef Markus Söder und der SPD-Co-Vorsitzenden Saskia Esken die Lage zusammen. „Da liegen also große Aufgaben vor uns.“ Man könnte auch sagen: Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst.