Koalitionsverhandlungen:Anfang ohne Zauber

Sieg nach inhaltsleerem Wahlkampf - und jetzt? Der schwarz-gelben Koalition fehlt eine sinngebende Überschrift. Dabei gäbe es eine Aufgabe für sie: Bildung, Bildung, Bildung.

Stefan Braun

Jetzt soll es losgehen. Von diesem Montag an werden Schwarz und Gelb die Politik ihrer Regierung aushandeln. Das wird höchste Zeit, denn noch nie hat es eine Wahl gegeben, von der nicht mal die Sieger sagen können, was sie bedeutet.

Es könnte eine Zeitenwende sein, wie es sie 1982 gegeben hat, als Helmut Kohl Kanzler wurde, oder wie 1998, als Kohl durch Schröders rote-grüne Regierung abgelöst wurde. Und was ist zu spüren? Bislang rein gar nichts.

Die CDU-Vorsitzende erklärt vor allem, was sie nicht möchte. Ihr designierter Vizekanzler Westerwelle ist so berührt vom Erfolg, dass es ihm fast die Sprache verschlagen hat vor Aufregung. Und der Dritte im Bunde, CSU-Chef Horst Seehofer, schleppt sich als Verwundeter in die Koalition, was ihr Erscheinungsbild nicht verbessert. Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne.

Der defensivste Wahlkampf der Geschichte

Die Beteiligten sollten sich darüber freilich nicht wundern. Es hat in der Geschichte noch nie einen solch defensiven Wahlkampf gegeben. Konrad Adenauer und Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl, Gerhard Schröder und selbst die Angela Merkel von 2005 - alle bewarben sich ums Regieren, indem sie für ein großes politisches Ziel kämpften.

Diesmal dagegen wollte Merkel nur eines: Schwarz-Gelb schaffen - aber auf gar keinen Fall laut dafür eintreten. Insbesondere im Osten, wo das Bündnis aus CDU und FDP die letzten drei Bundestagswahlen verloren hat, wollte sie kein Feindbild abgeben.

Die Strategie ist aufgegangen. Aber der Preis ist hoch. Das Bündnis wirkt sinnentleert, weil es nichts Besonderes sein durfte. Daran wird auch eine mittelprächtige Steuersenkung wenig ändern. Mehr Netto vom Brutto mag ein Ziel sein, aber es ist keine Überschrift für eine Regierung.

Was also bleibt? Es bleibt die zentralste Aufgabe, die sich eine gern bürgerlich genannte Koalition auf die Fahne schreiben müsste: Das Bildungssystem so auszubauen und zu modernisieren, dass es im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Der Schlüssel heißt nicht Steuern, sondern Bildung

Die weltweite Wirtschaftskrise hat diesen Wettbewerb nicht abgeschwächt. Im Gegenteil. Wie nie zuvor beäugen sich Länder und Kontinente jetzt bei der Frage: Wer kommt am besten aus dieser Krise? Der Schlüssel dazu heißt nicht Steuern, sondern Bildung.

Diese Regierung müsste also einen im besten Sinne bildungsbürgerlichen Anspruch an sich selbst richten. Das hieße, das Bildungssystem durchlässig zu machen für alle Kinder, auch jene, die nicht wohlbehütet aufwachsen. Es hieße, die Verantwortung ernst zu nehmen, die sich aus dramatisch sinkenden Kinderzahlen ergibt.

Es hieße, Bildung bei der frühkindlichen Bildung zu beginnen und Erzieherinnen und Grundschullehrern eine bessere Ausbildung und mehr Lohn zu geben. Es hieße, das System besser aufzustellen, gerade auch bei der Finanzierung. Und das hieße, endlich Schluss zu machen mit einer Kleinstaaterei, die den meisten Bürgern ein Graus ist. Bildung muss nicht zentralisiert werden. Aber sie ist eine nationale Aufgabe.

Die CDU muss den Streit durchbrechen

Angela Merkel weiß das. Mit ihrer Bildungsreise 2008 legte sie den Finger selbst in die Wunde. Nur gelöst hat sie bis heute nichts, weil ihre eigenen CDU-Ministerpräsidenten sie blockierten. Genau das aber zeigt, was jetzt nötig wäre. Es darf keine Streitfrage zwischen Bund und Ländern bleiben, es muss deshalb eine politische Grundsatzentscheidung geben.

Und das heißt: Die CDU, die nicht nur die Kanzlerin stellt, sondern auch die mächtigsten Ministerpräsidenten, muss den Streit durchbrechen. Sie muss das absurde Kooperationsverbot zwischen Bund, Ländern und Gemeinden als Irrtum erkennen und für falsch erklären. Nur dann wäre die nötige Verfassungsänderung möglich, nur dann wäre Politik, was sie sein müsste: zukunftsweisend.

Deutschland hat keine Rohstoffe, es lebt seit langem allein vom Erfindungsgeist seiner Menschen. Die Kanzlerin hat das verstanden. Es wird Zeit, dass ihre neue Regierung danach handelt.

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