Koalitionstreffen zur Gesundheitsreform:"Gurkentruppe" übt Harmonie

Nach den heftigen Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen freuen sich Union und FDP über das "hervorragende Klima" bei den Gesundheitsberatungen. Klar dürfte nun sein: Für viele Beschäftigte und Rentner wird die Krankenversicherung teurer.

Der Druck auf die Koalition ist denkbar groß. Es geht um die Zukunft des Gesundheitssystems. Es geht um das Schicksal von Bundesgesundheitsminister Rösler (FDP). Und irgendwie steht sogar das Überleben der Koalition auf dem Spiel.

Gesundheits-Klausur

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zeigt sich nach dem Koalitionstreffen zur Gesundheitsreform zuversichtlich.

(Foto: dpa)

Monatelang haben CSU-Chef Horst Seehofer und Rösler einen Streit über die Reform des Gesundheitssystems angeführt, der maßgeblich für den desolaten Eindruck verantwortlich ist, den Schwarz-Gelb in den vergangenen Wochen hinterlassen hat. "Gurkentruppe" und "Wildsau" wurden zum Synomym für eine zerrüttete Koalition.

Entsprechend hoch waren die Erwartungen vor der Koalitionsklausur. Nun hat es offenbar tatsächlich eine erste Annäherung gegeben. Rösler bemühte sich, keine Zweifel am guten Willen der Koalitionäre zu lassen und sprach von einem "hervorragenden Klima" bei dem Treffen.

Union und FDP berichten übereinstimmend von Fortschritten bei dem Vorhaben, das 2011 drohende Defizit von elf Milliarden Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch Einsparungen und zusätzliche Einnahmen abzuwenden.

Damit deutet sich auch an, dass für viele Beschäftigte und Rentner die Krankenversicherung teurer wird. "Wir sind optimistisch, das wir das Einsparziel von vier Milliarden Euro erreichen werden", sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler am frühen Samstagmorgen nach der Sitzung in Berlin.

"Der Ball ist wieder im Feld"

Details einer möglichen Lösung nannte der Gesundheitsminister nicht. Es müssten noch in zahlreichen Punkten Berechnungen für ein tragfähiges Sparkonzept angestellt werden, so Rösler. Die Fortschritte seien aber so gut gewesen, dass die auf zwei Tage angesetzt Klausur am Samstag nicht fortgesetzt wird.

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrike Flach betonte nach dem fast zwölfstündigen Treffen: "Der Ball ist wieder im Feld, wir spielen wieder und wir werden Ihnen auch bald ein Ergebnis liefern". Der CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer sagte, das Spielfeld sei jetzt "glatt und ohne Unebenheiten". Das für das Gesundheitssystem prognostizierte Defizit von elf Milliarden Euro im kommenden Jahr werde es nicht geben.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, kündigte an, die angepeilten Sparmaßnahmen sollten alle Bereiche gleichmäßig und ohne Ausnahme einbezogen werden. Die Gespräche seien sehr konstruktiv gewesen.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer schlägt versöhnliche Töne an. "Wir sind auf einem guten Weg", sagte Seehofer vor Beginn eines Bezirksparteitages der oberbayerischen CSU. "Ich bin zuversichtlich, dass das zu einem guten Ergebnis kommen wird". Die Partei hatte bis zuletzt Röslers Vorschläge für eine zusätzliche Pauschalprämie von durchschnittlich 30 Euro im Monat kategorisch abgelehnt.

Rösler zeigte sich zuversichtlich, dass zur Deckung des 2011 noch verbleibenden Defizits von sieben Milliarden Euro ein stabiles Finanzierungssystem gefunden wird, das sicherstelle, dass die Bundesbürger auch in Zukunft gut krankenversichert seien. Auf die Frage, ob dies mit erweiterten Zusatzbeiträgen verbunden sei, antwortete der Minister ausweichend, man habe "viele Optionen" diskutiert.

"Viele Optionen" werden allerdings seit langem diskutiert. Als nächste Gesprächstermine wurden Mittwoch kommender Woche und der 1. Juli vereinbart. Bis dahin wollen sich alle Beteiligten mit ihren Fraktionen und Parteien über den jeweiligen Verhandlungsstand rückkoppeln. Erst dann wird sich zeigen, was das "hervorragende Klima" aus dieser langen Verhandlungsnacht wert ist.

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