Süddeutsche Zeitung

Koalitionsstreit um Kinderbetreuung:FDP schürt rechtliche Bedenken gegen Betreuungsgeld

Die Union zofft sich heftig um das Betreuungsgeld. Das motiviert auch die FDP, die noch nie überzeugt von dem Vorhaben war: Die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag hat Bedenken, ob der Bund überhaupt für die Einführung einer solchen Leistung zuständig sei - eine Steilvorlage für die Gegner des CSU-Projekts.

Eine große Verfechterin des Betreuungsgeldes war die FDP noch nie, eher zähneknirschend nahm sie das Vorhaben in den Koalitionsvertrag auf - nun rebellieren auch Teile der Union. Grund genug für die FDP, noch einmal nachzulegen: In der Partei sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die umstrittene Leistung laut geworden.

Sie bezweifle, dass der Bund für die Einführung einer solchen Familienförderleistung überhaupt zuständig sei, sagte die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Sibylle Laurischk, der Rheinischen Post. Die Voraussetzungen dafür könne sie nicht erkennen. "Die FDP-Fraktion wird einem Gesetz, das verfassungsrechtlich zweifelhaft ist, nicht zustimmen können."

Eine Familienförderleistung wie das Betreuungsgeld falle unter die konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern, sagte Laurischk weiter. Der Bund sei aber nur dann zuständig, wenn die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erfordere. Diese Voraussetzung könne sie beim Betreuungsgeld "nicht erkennen".

Das Betreuungsgeld ist für Eltern vorgesehen, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen oder dies privat organisieren wollen. Gegen die Leistung formiert sich schon seit längerem breiter Widerstand aus den unterschiedlichsten Lagern, Studien warnen vor negativen Auswirkungen.

Selbst Elternvereine sind gegen die Leistung

So forderte der Bund der Steuerzahler von der Bundesregierung, auf die Familienleistung zu verzichten. Die Maßnahme sei ein "weiteres Ausgabenfass ohne Boden", sagte Verbandsvizepräsident Reiner Holznagel dem Hamburger Abendblatt. Denn die jährlichen Mehrausgaben für das Betreuungsgeld ab 2013 würden wegen des geringen Angebots an Kita-Plätzen höher ausfallen als von der Regierung geplant.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bekräftigte seine Ablehnung des Betreuungsgeldes. "Das Betreuungsgeld könnte dazu führen, dass gerade Familien aus bildungsfernen Schichten die Möglichkeiten einer Kinderbetreuung und damit einen ersten Baustein frühkindlicher Bildung nicht in Anspruch nehmen", warnte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann in der Passauer Neuen Presse. Zudem konterkariere das Betreuungsgeld tendenziell das Ziel einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen, sagte der DIHK-Chef.

Aber nicht nur Wirtschaftsvertreter sehen die geplante Leistung kritisch. Auch der Bundesvorsitzende der Föderation türkischer Elternvereine, Berrin Alpbek, sagte der Bild-Zeitung: "Wir sind grundsätzlich gegen das Betreuungsgeld. Sollte es doch zu einer Einführung kommen, darf das Betreuungsgeld keinesfalls bar, sondern nur zweckgebunden, zum Beispiel in Form von Gutscheinen, ausgezahlt werden. Damit es da ankommt, wo es hingehört: bei den Kindern."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1325755
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/reuters/afp/dapd/beitz/cop
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.