Koalitionspoker in Thüringen:Gefährlicher Wankelmut

Bodo Ramelow würde zur Not auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichten. Dies stärkt SPD und Grüne in Thüringen. Die Bundes-Linke ist entsetzt - und auch im Landesverband regt sich Protest.

Michael König, Berlin

Der Wankelmut ist ein Meister aus Thüringen. Das war bei Dieter Althaus zu sehen, der nach der Landtagswahl erst verkündete, er wolle die CDU trotz Verlusten von knapp zwölf Prozentpunkten weiter führen. Dann trat er von allen Ämtern zurück - um kurz darauf wieder in der Staatskanzlei zu erscheinen und die Geschäfte zu führen.

Im Pokerspiel um die Althaus-Nachfolge hat nun Bodo Ramelow bewiesen, dass auch er den Zickzackkurs beherrscht. Der Spitzenkandidat der Linken kündigte an, im Falle einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit auf das Amt des Ministerpräsidenten zu verzichten, obwohl seine Partei in dieser Koalition die stärkste Kraft wäre. Damit würde er eine Bedingung von SPD und Grünen erfüllen. Alle drei Parteien sollten "gleichberechtigt einen Personalvorschlag machen", forderte Ramelow - und ergänzte, er könne sich gut eine Frau in diesem Amt vorstellen.

Damit hat der gebürtige Niedersachse seine Meinung in dieser Frage zum wiederholten Mal geändert und die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung der Linken erhöht. Aber um welchen Preis?

Die Position der SPD hat sich durch Ramelows Vorstoß noch einmal verbessert. Die Sozialdemokraten können sich den Koalitionspartner aussuchen. Nach dem Althaus-Rücktritt nahmen sie Gespräche mit der CDU auf - mit Aussicht auf Erfolg, weil in Sozialministerin Christine Lieberknecht eine CDU-Politikerin die Althaus-Nachfolge anstrebt, die der SPD als verlässliche Partnerin gilt. Den Gang in die Opposition will die CDU unbedingt vermeiden - und wäre deshalb wohl zu Zugeständnissen bereit.

Dank Ramelows Verzicht sind nun auch die Sondierungsgespräche der SPD mit den Linken "leichter geworden", wie Landesgeschäftsführer Jochen Staschewski sagte. Eine "wichtige Hürde" sei genommen worden.

Es dürfte allerdings nicht die letzte gewesen sein: Ramelow schloss aus, SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie zum Ministerpräsidenten zu wählen. Außerdem erhob er den Anspruch, die SPD müsse der Linken im Gegenzug für seinen Verzicht ein Schlüsselressort überlassen - etwa für Wirtschaft und Energie. Staschewski antwortete, es gebe für die SPD keinen Anlass, einen anderen Kandidaten "aus dem Ärmel zu ziehen".

Spekulationen um bekannte Frauen

Staschewski widersprach Gerüchten, wonach die ehemalige SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan für den Posten in Frage komme: "Ein solches Konstrukt funktioniert nicht."

Geht der Posten am Ende an einen Politiker aus den Reihen der Grünen? Für Ramelow ist das denkbar: "Gleichberechtigt heißt gleichberechtigt." Er könne sich gut eine Frau für den Posten vorstellen, habe aber "keine Präferenz". In Medienberichten wurde die grüne Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt als Kandidatin genannt.

Empörung in Berlin

Auch ohne die Öko-Partei hätte Rot-Rot im Landtag eine Mehrheit - allerdings nur mit einer Stimme. Die Grünen entscheiden am Freitagabend in Jena, ob sie an einer Koalition teilnehmen wollen.

Die Berliner Führung der Linken gibt sich derweil empört über Ramelows Verhalten: "Er kann nicht auf ein Amt verzichten, das er gar nicht hat", sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Der Chef der Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, betonte, die stärkste Fraktion habe auch das Vorschlagsrecht für den Ministerpräsidenten: "Wenn wir das Recht aufgeben, dann brauchen wir doch gar keine Spitzenkandidaten mehr aufzustellen."

Auch im Landesverband Thüringen regt sich Kritik an Ramelows Verhalten. Der Landesvorsitzende Knut Korschewsky stellte die Aussagen des Spitzenkandidaten als Alleingang dar: "Bodo Ramelow hat eine Option für sich deutlich gemacht", sagte Korschewsky: "In der Partei ist diese Option nicht diskutiert worden."

Neun Tage vor der Bundestagswahl kann es der Linken nicht recht sein, dass Ramelow sie mit seinem Vorstoß zu einem Steigbügelhalter für die SPD degradiert. Schon im Wahlkampf hatte der 53-Jährige die Genossen in Berlin verärgert, als er einen Verzicht andeutete - und dann wieder ausschloss. Gysi hatte Ramelow damals für ein Zitat kritisiert, dass nun wieder aktuell ist. Der Spitzenkandidat hatte gesagt: "Ich brauche keinen Schreibtisch."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: